D.H.

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Den Mythos nähren

Spannungsfeld Indie bzw. Punkrock mit deutschen Texten überzeugen konnten. Eine Ausnahmestellung nehmen für mich dennoch D.H. ein, die nach einem gelungenen Debüt nun mit „Der Mann der barfuss Funken schlug“ (Matatu Records) ein eigenwilliges, intensives zweites Album aufgenommen haben, welches bisher lange nicht die Aufmerksamkeit bekam, die ihm eigentlich zustehen sollte. Angenehme Pflicht also, ein Interview mit D.H.-Bassist Philipp zu führen, der sich auch um die Leipziger Agentur „Rilleralle Kosmos“ kümmert.

Philipp, warum hat es denn so lange gedauert, bis ihr mit einem Nachfolger zu „Holzhose“ um die Ecke kommt?


„Das lässt sich eigentlich ganz kurz mit einem Satz erklären: Wir wollten aus unserer Sicht heraus alles richtig machen. Zu den Aufnahmen von ‚Kurze Hose, Holzgewehr!!!‘ standen wir alle an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt. Wir haben dann 2002/2003 viel gespielt und irgendwie unbewusst versucht, die Entscheidungen ‚Was man so neben der Band machen will ...‘ aufzuschieben. Als es dann Mitte 2003 etwas ruhiger wurde, haben sich zum einen die Lebensmittelpunkte von uns allen nach Leipzig verlagert. Zum anderen hatten alle neue Sachen angefangen: Studium, Zivi, Ausbildung etc. Im neuen Proberaum hat das dann gar nicht so lange gedauert. Der Plattentitel schwirrte sehr schnell durch unsere Köpfe und so haben wir eigentlich ‚nur‘ ein halbes Jahr an den Songs gearbeitet. Im April 2004 waren wir dann im Studio hier in Leipzig. Tja, und dann würde ich das Jahr seitdem als Perfektionismus im Rahmen unserer Möglichkeiten beschreiben wollen ... Wir hatten eine sehr genaue Vorstellung vom Klang der Platte und uns so selbst ans Mischen gewagt, da Lars schon in unserem kleinen ‚Tonstudio Bommelmütze‘ zwei oder drei regionale Sachen gemacht hatte. Hinzu kam die sehr konkrete Vorstellung meinerseits, wie das Textbuch aussehen soll. Diese Märchenbuchidee manifestierte sich und mit Josi von ‚Pullervogel Productions‘ hier in Leipzig habe ich dann auch jemanden gefunden, mit deren gestalterischer Hilfe sich das umsetzen ließ. Schlussendlich waren die Sachen dann eigentlich schon im Oktober 2004 fertig, aber das Geld reichte noch nicht aus, um alles wirklich so umzusetzen, wie wir das wollten. Also Geld leihen, sparen und dann ging’s ins Presswerk ... Ordentlich beworben und weggeschickt will das Ganze ja auch sein. Und die Tour im März hat dann terminlich für alle auch pünktlich zum Release gepasst.“

Für mich herausstechend sind bei den neuen Aufnahmen vor allem die abwechslungsreicheren Vocals, die die ganze Musik noch deutlich intensiver machen.

„Da legen wir sehr viel Wert darauf. Das ist auch immer das, was am längsten dauert. Wenn ich da mit den Textideen ankomme, und Lars und Ecki mich entsetzt anschauen und wissen wollen, wie man das denn singen soll. Im Endeffekt ergänzt sich das dann immer super und im Kontext des Liedes fällt dann für jeden die entsprechende Stelle ab, haha. Ich denke auch, die Texte sind nah dran an jedem von uns, dem was wir fühlen und erleben, so dass sich das beim Gesang niederschlägt.“

„Der Mann der barfuss Funken schlug“ ist ja ein Konzeptalbum. Nicht gerade die übliche Herangehensweise für Punkrocker, eigentlich. Wie seid ihr auf die Idee bzw. Story gekommen?

„Eckis’ Papa hat diese Redewendung früher des Öfteren seinem Sohnemann an den Kopf geworfen. Irgendwann hat Ecki das dann einmal erzählt, und weil wir vier ‚running-gag-verliebt‘ sind, war dann der Spruch immer die Reaktion der anderen darauf, wenn einer von uns versuchte, das Unmögliche möglich zu machen. Irgendwann ergab sich der Kontext so, dass ‚Der Mann der barfuss Funken schlug‘ als Zustandsbeschreibung genau das ist, worum es in den Texten geht. Der Running Gag tat sein Übriges und die selbsterschaffene Tradition mit dem Titel der ersten LP muss ja irgendwie fortgeführt werden, haha. Die Inspiration ist das, was mich hier umgibt. Für mich beschreiben die Songs die verschiedenen Facetten des Gefühls, wenn man versucht, barfuss Funken zu schlagen. Uns wird ja des Öfteren gesagt, wir würden in ostdeutschen Befindlichkeiten baden. Aber wenn sie Zeitz, deine Heimatstadt, zurückbauen und innerhalb von 15 Jahren 12.000 Menschen von ursprünglich 39.000 Einwohnern die Stadt wegen Arbeit verlassen, dann schlägt jemand, der von einem Block, der abgerissen wird, in einen anderen zieht, der vielleicht erst nächstes Jahr abgerissen wird, barfuss Funken ... Das ist beispielsweise der Aufhänger von ‚Blockhäuserblocks‘ gewesen. Das beschriebene Gefühl dahinter ist aber viel stärker, als es diese Geschichte beschreibt. Wie gesagt: Facetten und das verbindende Moment.“

In dem Zusammenhang muss man auch unbedingt auf das tolle Artwork und Booklet der LP hinweisen, welches die Story perfekt illustriert.

„Das komplette Artwork hat unsere Freundin Josi gemacht. Und nachdem ich schon bei zwei, drei Leuten angefragt hatte, ob ihnen dazu etwas einfällt, stand ich in ihrer Wohnung und mir fielen die Bilder dort auf. Der Rest ist schnell erzählt. Sie hat sich intensiv mit allem auseinandergesetzt und ich habe ihr als Grundmuster meine Idee von jedem Bild erzählt. Schon nach dem ersten waren wir alle hin und weg. Ohne sie wäre das alles nicht so möglich gewesen und wir hoffen, dass vielleicht der eine oder andere das auch sieht.“

Ihr habt euch für diese Sache vermutlich ziemlich in Unkosten gestürzt.

„Wie gesagt, obwohl die Platte im Oktober fertig auf dem Tisch lag, hat das noch mal bis April gedauert. Wir alle wollten von Anfang an kein Geld von irgendjemandem geliehen haben, aber wir hatten keine Wahl. Ohne Platte macht Spielen keinen Sinn. Weil die erste LP ausverkauft ist, und du die neue Platte ja verkaufen müsstest, um Geld zu sparen, dass du dann in die Pressung und in den Druck steckst. Hier haben uns einige Leute sehr unter die Arme gegriffen. Eine Sache, die generell die ganzen letzten zweieinhalb Jahre angeht. Die beste Erfahrung für uns alle war, dass es da draußen Menschen gibt, die das, was wir machen, mit uns teilen und sich als Teil der ‚Holzhose‘ begreifen ... Wenn das nicht zu pathetisch klingt.“

Stichwort LP: Irgendwie hatte ich in Erinnerung, ihr veröffentlicht nur auf Vinyl? Nun war auch von einer CD/Video-Version des Albums die Rede ...

„Das Problem, das sicher viele Bands haben, die Vinyl only machen, ist, dass wir ja keinem etwas vorschreiben wollen und so jemandem ohne Plattenspieler nichts mitgeben können. Bei der neuen Platte macht aber die CD für sich wenig Sinn, weil das Textbuch in CD-Größe absolut indiskutabel gewesen wäre. So verkaufen wir jetzt für kleinen Aufpreis nur auf Konzerten die Platte mit Textbuch und die CD-Version inklusive des Videos zu ‚Blockhäuserblocks‘. Und so kann sich der CD-Käufer das Textbuch durchlesen, die Platte an die Wand hängen und die CD in den Wechsler im Auto schmeißen.“

Seid ihr eigentlich zufrieden mit der Art, wie ihr als Band von der Szene und ihren Medien unterstützt werdet? Fühlt ihr euch „gut“ bzw. „gerecht“ behandelt?

„Ach, ich glaube, ich kann da für alle sprechen: das ist uns mittlerweile wirklich egal. Wir haben im Dezember unser achtjähriges Bandjubiläum. Und natürlich lesen wir die Reviews ... Aber dieser Leitgedanke ‚2 Buchstaben, 2 Punkte, 4 Freunde‘ steht darüber und wir definieren das Ganze selbst eher als überlebensnotwendige Instanz in unserem Leben. Von daher ist es egal, was die ‚Szene‘ und die ‚Medien‘ meinen, wenn wir alle vier mit einer Platte unterm Arm nach zweieinhalb Jahren den Proberaum verlassen. Und außerdem: Wenn du deutschsprachige Musik machst, die so ist wie unsere, dann brauchst du die Platte gar nicht aufnehmen, weil schon vorher klar, ist in welche Schublade man einen steckt. Was ja auch okay ist ... Aber eben nicht wichtig.“

Philipp, zusammen mit deinem Bruder Stephan betreibst du ja auch den „Rilleralle-Kosmos“. Kannst du mal genauer sagen, was es damit auf sich hat?

„Seit drei Jahren machen wir da zum einen für einige Bands das Booking und die Promotion. Das sind alles Formationen, die aus dem Punk-, HC- oder Hip-Hop-Bereich kommen. So z. B. VERBRANNTE ERDE, SHUTCOMBO, TOURDEFORCE, NOTHING IN COMMON, SWP ... Wir können den Jungs damit viel helfen, und der größte Moment ist nach wie vor, wenn sich die Band freut und wir uns freuen, weil sie sich freuen, weil irgendetwas klappt ... Wir arbeiten weniger als Agentur, denn als ein Netzwerk. Zum anderen beschäftigt sich der ‚Rilleralle Kosmos‘ mit Sachen, die über Booking und Promotion hinausgehen und auch Pressearbeit betreffen, eigentlich das komplette Künstlermanagement. Im Gegensatz zum ersten Teil kümmern wir uns hier um ‚nur‘ drei Bands und Künstler: WISSMUT, SAITLINGE und VOLLY TANNER. Das sind also Leute, die das von Berufs wegen machen und wo die Schwerpunkte einfach anders gesetzt sind, als bei den Punkrockern.“

Was macht der Rest der Band außerhalb von D.H.?

„Ein in der Ausbildung steckender Krankenpfleger, zwei Studenten und ein ausgelernter Schauwerbegestalter. Ecki ist in seinem anderen Leben der Barpianist ‚King Kegel‘ und begleitet Volly Tanner, einen Literaten aus Leipzig, auf seinen Lesereisen. Lars macht auch viel Musik für sich allein und am Computer. David geht einfach nur arbeiten. Tja, und ich mache mit Stephan den ‚Kosmos‘ und auch noch eine Radiosendung namens ‚Rilleralleradio‘ hier in Leipzig.“

Zu guter Letzt, und das interessiert mich nun wirklich schon lange: Wofür zum Teufel steht euer Bandname „D.H.“?

„Wenn man 15 Jahre alt ist und das Gefühl hat, man sei unheimlich witzig, gründet man nicht nur eine Band – nein, man gibt dieser Band unter Umständen auch einen Namen, der genau das repräsentieren soll. Wenn man dann irgendwann merkt, dass man gar nicht so witzig ist, kürzt man das Ganze einfach ab und antwortet partout auf jene Fragen nicht, um den Mythos zu nähren.“