Reggae und Rock haben schon seit THE CLASH, RUTS DC, SLITS oder BAD BRAINS auch im Punk Akzente gesetzt. Roots-Reggae ist ein Stil, der einerseits die Wurzeln des Reggae, der nach Ska, Mento und Rocksteady entstand, aufgreift und konserviert, andererseits aber dennoch weiterentwickelt. Der aus Teneriffa stammende Dactah Chando ist einer der bekanntesten Reggae-Musiker Spaniens und setzt auf einen ungewöhnlichen Mix aus Reggae, Dub und Rock und hat auch inhaltlich einiges zu sagen, fernab aller Haile-Selassie-Pray-Jah-Klischees. Er ist auch oft in Deutschland zu Gast, was wiederum seiner Tourband mit deutschen Musikern geschuldet ist. Daneben ist er auch als Produzent im hauseigenen Studio in Teneriffa aktiv mit seinen mächtigen Sounds. Wie zu hören auf seinem neuestem Release, „Global CityZen“, produziert in Teneriffa, München und Berlin, auf dem er auch aktuelle Themen anspricht, etwa die globale Erwärmung im Song „Ring the alarm“. Ich treffe den sympathischen Musiker mit den Dreads bei seinem Konzert im Aachener Musikbunker.
Wie ist deine Tour hier in Deutschland bislang?
Ich bin sehr glücklich damit, bisher läuft alles super.
Du lebst ja auf der kanarischen Insel Teneriffa, wie kommt es, dass du hier mit deutschen Musikern unterwegs bist?
Durch den Tourismus gab es immer gute Connections nach Deutschland. Ich hatte immer auch deutsche Freunde, und in der Gegend, in der ich aufwuchs, hatten wir deutsche Nachbarn. Als ich dann anfing, Musik zu machen, war der Kontakt bereits da, so hat sich alles ergeben.
In Teneriffa hatte ich dich ja mit anderen Musikern live gesehen ...
Das stimmt, ich habe zu Hause meine Band und auch eine in Deutschland, wenn ich hier auf Tour bin. Ich rufe sie an, wenn so wie jetzt Konzerte anstehen, wir proben, und los geht’s. Das hat aber auch einen finanziellen Hintergrund, ich kann es mir bislang einfach nicht leisten, meine eigene Band nach Deutschland einzufliegen und alle zu bezahlen.
Du bist ja auch als Produzent tätig. Was ist wichtiger für dich, auf der Bühne zu stehen oder im Studio zu arbeiten?
Ich würde sagen, ich bin zur Hälfte Produzent und zur Hälfte Bühnenmusiker. Beides macht mir Spaß.
Du spielst eigentlich Roots-Reggae, die Produktion ist allerdings für dieses Genre eher unüblich. Sie klingt dichter, moderner, sogar mit ein paar Digi-Sounds.
Ich war immer ein großer Fan von Roots-Reggae und das wird auch meine Musik bleiben. Aber im Grunde mag ich alle möglichen Musikstile, auch Rock oder Elektronik. Und das eine kommt zum anderen, wenn man wie ich Musik macht und produziert. Ich bin offen für Neues in meiner Musik, selbst wenn Roots-Reggae die Basis bleibt.
Wie siehst du die Szene auf den abgelegenen kanarischen Inseln? Letztes Jahr waren dort INNER CIRCLE, Gentleman und UB40 sowie ASIAN DUB FOUNDATION zu Gast.
Die Szene wächst beständig, sie ist lebendig und aktiv, es kommen immer mehr Leute dazu, auch mehr Orte. Es ist ganz klar begrenzt auf den Inseln, im Gegensatz zum europäischen Festland, aber dafür sehr gut.
Du hast vor einiger Zeit viel Aufmerksamkeit erregt, speziell in Spanien, mit „Woman, escúchame“, einem Song über Frauenrechte, was ja im Macho-geprägten Reggae eher die Ausnahme ist. Nachdem was in Pamplona passiert ist mit der Verharmlosung einer Vergewaltigung durch ein Gericht, hat das sicher nichts an Aktualität verloren.
Ja, ich habe in dem Stück auf provokante Weise meine Haltung zur Diskriminierung von Frauen dargestellt, und klargemacht, dass ich gegen diese Diskriminierung bin. Musik sollte grundsätzliche integrativ sein, daher bin ich sehr froh, dass ich diesen Song geschrieben habe und er so Beachtung gefunden hat.
Hast du als Roots-Reggae Musiker eigentlich auch eine Beziehung zu Jamaika?
Nicht wirklich, die meisten Kontakte habe ich in der europäischen Reggae-Szene, aber vielleicht in Zukunft.
Es gibt mehr und mehr auch einen Latin Vibe in Europa, du spielst auf dem Summer Jam, singst auf Spanisch und Englisch.
Wir freuen uns auf das große Festival. Es stimmt, wir beobachten heute in Europa eine zunehmende Durchmischung der Kulturen. Es sprechen auch viel mehr Leute Spanisch als früher. Aber ich liebe auch die deutsche Kultur und bin der Ansicht, je mehr kultureller Austausch stattfindet, desto besser.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #139 August/September 2018 und Frank Castro