Neuseeland ist noch weiter entfernt als Australien, und in den letzten zehn Jahren kann ich mich ehrlich gesagt an keine einzige ordentlich rockende Band von dort erinnern. THE D4 haben Neuseeland nun „back on the map„ gebracht, ihr auf dem Traditionslabel Flying Nun erschienenes Album „6Twenty„ hat allenthalben Beachtung gefunden, eine kurze Tour gab’s im Spätsommer auch – und da nutzte ich die Gelegenheit, mit Sänger und Gitarrist Jimmy ein kurzes Interview zu führen.
Wie ist es, in Europa zu touren?
Großartig, gerade Deutschland war klasse. Köln war gut, Berlin auch, Hamburg phantastisch. In Holland und Frankreich lief es auch gut, da spielten wir mit Freunden, den STETSONS und den VON BONDIES, eine sehr gute Show in Paris.
Das war eure erste Europatour, richtig?
Die Erste auf dem Kontinent, ja, aber wir waren schon drei oder vier Mal in England. Europa ist in Sachen Tour schon was anderes als Neuseeland, es gibt so viel mehr Clubs, in denen man spielen kann. Neuseeland ist einfach ein sehr kleines Land, und wenn du da als Rock’n’Roll-Band überleben willst, ist das extrem schwer. Du kannst da insgesamt gerade mal in vier Clubs spielen... Du musst also aus dem Land raus, wenn du als Band weiterkommen willst, und da ist Europa auf jeden Fall nicht schlecht: du fährst ein paar Kilometer, bist in einem anderem Land und hast andere Clubs und so weiter.
Ich habe neulich ein Interview mit SOMMERSET gemacht, die genau das auch erzählt haben.
Oh, du hast mit SOMMERSET gesprochen? Das sind sehr gute Freunde von uns. Dion ist sogar ein Arbeitskollege von Stefan, dem Bassisten von SOMMERSET.
Gib den Ox-Lesern doch mal einen kurzen Überblick über die Geschichte von THE D4.
Ich und Jimmy haben die Band vor vier Jahren in Neuseeland gegründet. 1999 erschien dann auf Flying Nun unsere erste Platte ‚TheD4EP’, und in Europa war unser erster Release die ‚RocknRoll Motherfucker’-7„ auf diesem französischen Label. In Australien und Neuseeland haben wir noch andere Singles raus, und ‚6Twenty’ ist jetzt unser erstes Album.
Die alte Frage: Warum habt ihr die Band gegründet?
Aus Liebe zum Rock’n’Roll. Ich bin mit Musik aufgewachsen, habe über die Jahre immer mehr tolle Bands entdeckt. Der entscheidende Anstoß, selbst eine Band zu gründen, war ein Konzert der BUZZCOCKS in Auckland, als ich 16 war. Ich bin jetzt 28, und damals war mir klar, dass ich sofort lernen will Gitarre zu spielen.
Huch, ihr seid echt schon so alt? Ich hatte euch jetzt für jünger gehalten...
Nein, drei von uns sind 28, einer 26. Wir sind also schon eine alte Band...
Aber nicht alt genug, um seinerzeit die NEW YORK DOLLS, Johnny Thunders oder die frühen AC/DC auf der Bühne gesehen zu haben – Bands, die ich als Einfluss heraushöre.
Klar, das sind Bands, die wir hören, die uns beeinflusst haben. Und als wir dann zusammen in dieser Band anfingen, kam eben unser Sound dabei raus. Wir sind auf jeden Fall vom Rock’n’Roll der Siebziger beeinflusst, mögen aber auch US-Garage-Rock aus den Sixties und UK-R&B und Funk und Soul.
Wie isoliert wart und seid ihr mit eurer Musik und eurem Geschmack in Neuseeland?
Es gab von Anfang an eine kleine Szene von Leuten, die unseren Geschmack teilten und zu unseren Konzerten kamen, aber uns war auch klar, dass wir außerhalb von Neuseeland spielen wollen: USA, Australien, Europa, Japan... Wir haben darauf hingearbeitet, Geld gespart und es letztendlich auch geschafft: 2000 gingen wir nach Japan, später dann nach Australien, USA und England – und dieses Jahr dann nach Europa. Es lief genau so, wie wir uns das vorgestellt haben, und sogar noch besser. Und wo immer wir spielen, bekommen wir hinterher kein ‚Fuck off!’ zu hören, sondern die Bitte, doch bald wieder zu kommen – und das ist eine schöne Bestätigung.
Denkst du, euer Plattendeal in Europa hat auch was damit zu tun, dass nach dem Erfolg von WHITE STRIPES, STROKES und HIVES plötzlich verstärktes Interesse an klassischen Rock’n’Roll-Bands besteht?
Also der Zusammenhang liegt ganz klar auf der Hand und es hat uns sehr geholfen und die Entwicklung beschleunigt. Andererseits wären wir über kurz oder lang auch aus eigenen Stücken nach Europa gekommen, nur dass uns das eine ganze Stange Geld gekostet hätte. Dass derzeit die Platten der von dir genannten Bands so gut laufen, hat uns schwer geholfen und das Interesse an uns verstärkt. Das war einfach gutes Timing und Glück, aber so war das im Rock’n’Roll ja schon immer.
Euer Name wurde bei uns im Büro des öfteren mit der US-Punkband DILLINGER 4 verwechselt, die sich gelegentlich als D4 abkürzen.
Das ist uns schon häufiger passiert, auch wenn DILLINGER 4 im Unterschied zu uns viel mehr Punk sind. Man bewegt sich also in etwas anderen Kreisen, so dass das kein wirkliches Problem ist. Die haben uns vor unserem Auftritt beim SXSW-Festival in Austin gemailt, weil sie öfter darauf angesprochen wurden, ob sie dort spielen würden, und wir haben da ganz locker drüber gesprochen. Sie haben mittlerweile darauf verzichtet, unter der Abkürzung D4 aufzutreten, und das fand ich sehr nett von ihnen.
Gibt’s eine Story zu dem Namen?
Hehe, ja ja... Dion lief eines Tages mal an einem Puff vorbei und die hatten da eine Tafel, auf denen die ‚Spezialitäten’ angeboten wurden: D1 war Massage, D2 war ‚hand relief’, D3 war Fellatio und D4 das komplette Programm. Na ja, und wir dachten, das würde gut zu uns passen.
Ihr habt auf dem Album drei Cover-Songs, von Johnny Thunders, GUITAR WOLF und den SCAVENGERS. Gibt’s dafür besondere Gründe?
Klar: GUITAR WOLF sind gute Freunde, eine große Inspiration und eine meiner Lieblingsbands. Wir haben mit denen in Japan gespielt, die waren supernett zu uns, und nach unserer Rückkehr haben wir dann diese Coverversion eingespielt. Die SCAVENGERS haben wir gecovert, um unsere neuseeländischen Roots zu betonen, denn die Leute bei uns Zuhause konzentrieren sich oftmals nur auf die US- und UK-Bands, vergessen aber die einheimische Rock’n’Roll-Geschichte. Johnny Thunders, nun, wir haben ‚Pirate love’ immer wieder live gespielt, und als wir dann im Studio waren, um das Album einzuspielen, haben wir den einfach mit aufgenommen.
Ihr seid auf Flying Nun Records, einem Label, das seine Hochphase mit Bands wie den CHILLS, GO-BETWEENS, THE CLEAN in den Achtzigern hatte. Ich wusste auch gar nicht, dass die überhaupt noch im Geschäft sind.
Klar, nur sind die heute viel kleiner als damals und kümmern sich vor allem um ihren Back-Katalog. Die haben uns ein paar Mal live gesehen und uns dann einfach angesprochen, ob sie nicht eine Platte mit uns machen könnten. Sie sind ehrlich und offen, es ist ein gutes Verhältnis, wir arbeiten gerne mit ihnen zusammen.
Hast du einen Bezug zu den Sachen, die sie in den Achtzigern gemacht haben?
Nicht wirklich. Die Sachen haben mich damals nicht so recht interessiert, ich wollte harte, aufregende Punk-Musik. Klar, die Klassiker kannte ich natürlich, aber ich beschäftigte mich mit dieser Musik erst, als wir bei ihnen auf dem Label waren und ich die Chance hatte, mich durch ihren Back-Catalog zu arbeiten. Die gehören heute zu Festival Mushroom Records, einem der größten Labels im Land, und erst dieses Jahr hatten die ein großes Festival, um ihren 21. Geburtstag zu feiern – John Peel war da, Stephen Malkmus und noch viele andere.
Wie sieht’s ansonsten mit der NZ-Rock’n’Roll-Szene aus?
Es gibt mit Bands wie THE ROCK’N’ROLL MACHINE und THE DATSUNS derzeit eine ganze Reihe guter Bands, aber ich sehe nicht, dass durch unseren ‚Erfolg’ eine richtige Welle ausgelöst werden könnte. Und wir selbst sind ja derzeit auch irgendwo zwischendrin: es läuft ganz gut, wir sind ständig auf Tour, aber es bleibt letztendlich kein Geld übrig. Aber so lange wir was zu essen bekommen, ein Bett für die Nacht und die Gitarren bezahlt sind, ist ja alles okay. Für uns vier ist das der beste Job, den wir je hatten, auch wenn er nicht gut bezahlt ist. Dafür haben wir Spaß, und sowieso machen wir die Sache nicht wegen des Geldes.
Was sind die nächsten Pläne?
Nach der Europatour fliegen wir für vier Tage nach Neuseeland, dann nach Australien, dann USA, dann im November wieder Europa. Und dann im Dezember, wenn wir wieder Zuhause sind, werden wir anfangen
an einem neuen Album zu arbeiten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #48 September/Oktober/November 2002 und Joachim Hiller