Zeit ist ein dehnbarer Begriff. Zumindest wenn man wie BACKFIRE! schon seit fünfzehn Jahren aktiv ist, es in dieser Zeit aber auf gerade mal fünf Studioalben gebracht hat. Auch die fünf Jahre Wartezeit zwischen dem 2003 erschienenen "Change The Game" und dem nun aktuellen Album "In Harm's Way" waren für die Fans lang, haben sich aber durchaus gelohnt. Das Dutzend neuer Songs zeugt von einer in sich gereiften Band, geballter Spielfreude, ungezügelter Wut und der Fähigkeit, diese gekonnt in den Texten zu verarbeiten. Somit festigt das neue Album völlig zu Recht die Position der Maastrichter auf den vordersten Plätzen der wirklich wichtigen europäischen Hardcore-Bands. Meine Fragen nach dem neuen Label, dem Verbleib des Nebenprojektes ANGEL CREW, Walt Withman, dem ominösen Tony Mitzel und der Freundschaft zu KNUCKLEDUST beantwortete mir Gitarrist Wyb.
Fünf Jahre sind vergangen seit dem Release von "Change The Game". Seit 2003 gab es nicht besonders viele BACKFIRE!-Shows in Deutschland. Was ist also passiert in all den Jahren? Ehrlich gesagt, war ich mir nie ganz sicher, ob sich BACKFIRE! nicht vielleicht doch aufgelöst hatten...
Wir brauchten diese Auszeit für unser Nebenprojekt ANGEL CREW. Wir haben ein neues Album aufgenommen und mussten es natürlich auch promoten. Trotzdem gab es immer wieder vereinzelt auch Shows von BACKFIRE! in ganz Europa. Nun hat BACKFIRE! aber wieder volle Priorität.
Aha, das wäre meine nächste Frage gewesen. Denn genau wie "Change The Game" liegt auch der Release des letzten ANGEL CREW-Albums "Another Day Living In Hatred" schon lange zurück. Genauer gesagt, datiert er in das Jahr 2001. Wie sehen die Pläne für AC dieses Jahr aus?
Wie gesagt, BACKFIRE! ist unsere Hauptband und wird es auch immer bleiben. Wir werden mit ANGEL CREW einige Shows später in diesem Jahr spielen, wenn wir mit BACKFIRE! einmal nicht auf Tour sind. Die anderen schreiben derzeit schon wieder an neuen AC-Songs, und wer weiß, was dieses Jahr noch so alles passieren wird. Beide Bands sind also immer noch aktiv.
Vor ein paar Wochen habt ihr in Essen auf dem Rise Or Die Fest unter anderem mit KNUCKLEDUST, CATARACT und HEAVEN SHALL BURN gespielt. Wie habt ihr diesen Tag erlebt, schließlich habt ihr dort auch eure neuen Songs vorgestellt. Gab es außerdem noch lustige Begebenheiten hinter der Bühne?
Einen Tag vorher haben wir unsere Record-Release-Party in Maastricht gespielt und diese Party war wirklich hart! Wir haben uns in Essen im Backstagebereich also ein wenig zurückgehalten. Außerdem mussten wir am selben Tag noch eine Show mit ANGEL CREW in Belgien spielen, so dass wir direkt nach dem Konzert wieder gefahren sind. Lustige Begebenheiten kann ich dir also von diesem Tag nicht berichten, aber die Show in Essen hat wirklich Spaß gemacht. Wir spielen immer sehr gerne in Deutschland, es ist für uns immer ein guter Ort, um uns wohl zu fühlen.
Lass uns über euer neues Album "In Harm's Way" sprechen. Auf der einen Seite ist da für mich dieser typische BACKFIRE!-Sound, andererseits habt ihr auch neue Einflüsse einfließen lassen. Bitte sag doch etwas zum Schreibprozess im Vorfeld und zu dem Titel des Albums.
Die neuen Metal-Einflüsse kommen von Dave, unser zweiter Gitarrist und neuestes Bandmitglied. Er hat vorher an keinem BACKFIRE!-Album mitgeschrieben, daher rühren wohl die prägnantesten Unterschiede. Trotzdem denke ich, dass auch die neuen Songs typisch nach BACKFIRE! klingen und insgesamt ist "In Harm's Way" auch unser bestes Album bisher und wir sind sehr stolz darauf. Der Titel reflektiert die Texte, die sich hauptsächlich um persönliche Probleme drehen und um die Dinge, die uns in den letzten fünf Jahren passiert sind. Wir haben die Songs in sehr kurzer Zeit geschrieben, aber genau das ist auch für uns der beste Ansatz, an ein neues Album heranzugehen. Ich selbst habe neunzig Prozent der Texte geschrieben, das war zwar auch Neuland für mich, aber ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Im Booklet findet sich folgendes Zitat von Walt Withman, einem amerikanischen Dichter: "Always keep your face toward the sun and shadows will fall behind you." Stammt diese Idee auch von dir?
Ja, denn ich glaube, das ist ein sehr positiver Denkansatz und vor allem steckt da auch viel Wahrheit drin. Es ist ebenfalls eine weitere Sichtweise auf die Botschaft hinter den Texten des neuen Albums. Diese mögen zwar stellenweise recht düster und depressiv erscheinen, handeln aber im Wesentlichen davon, wie man mit seinen Problemen fertig werden kann und etwas aus seinem Leben macht. Ich habe dieses Zitat vor einigen Jahren entdeckt und mich seitdem immer daran erinnert. Ich bin froh, dass es nun Verwendung auf unserem Album gefunden hat.
Euer Album "Still Dedicated" war eurem alten Drummer Richard gewidmet, der sich leider das Leben genommen hat. Es ist also kein Wunder, dass sich der Tod von Richard auch in den damaligen Texten widergespiegelt hat. Auch auf dem neuen Album gibt es wieder Songs, die traurige Themen zum Inhalt haben und eine echte Hymne wie "Still dedicated" findet sich auf dem neuen Album auch nicht. Einen durchweg positiven Inhalt hat da für mich eigentlich nur "What we have", wie siehst du das?
Nein, das sehe ich nicht unbedingt genauso. Denk mal an "Push the limit", "You can make it" oder "Pushing my failures away". Sie alle sprechen von Hoffnung und wie man seinen Frust in etwas Positives umkehren kann. Der Song "Brother's keeper" handelt von der Freundschaft von Pat, unserem Sänger, und mir. "Sam's song" ist der Tochter von Pat gewidmet, die letztes Jahr zur Welt kam. Sie ist geistig und körperlich behindert. Trotzdem geht es auch in diesem Song um Hoffnung, eine bessere Zukunft und darum, dass Pat seine Tochter über alles liebt und an sie glaubt.
Ihr habt gleich zwei Gastsänger für "In Harm's Way" verpflichten können. Zum einen ist da Bessac von KICKBACK und Dries Olemans von THE SETUP. Sind die beiden langjährige Freunde von euch oder wie kam der Kontakt zustande?
Alle in der Band sind KICKBACK- und THE SETUP-Fans. Wir kennen die beiden schon seit Jahren und sie waren auch die einzigen beiden, die wir von Anfang an als Gastsänger im Sinn hatten. Umso mehr freuen wir uns, dass uns letztendlich auch beide im Studio unterstützt haben.
Ihr habt einen großartigen Hidden Track auf dem neuen Album. Ihr covert "Systems overloaded" von INTEGRITY. Wer hatte die Idee, diesen Song zu covern? Haben INTEGRITY auf BACKFIRE! in deinen Augen auch einen gewissen Einfluss?
Den Song einer Band zu covern, die sowieso schon etwas Ähnliches macht wie man selbst, finde ich persönlich total langweilig. Wir haben uns "Systems overloaded" ausgesucht, weil wir finden, dass dies einer der härtesten Hardcore-Songs ist, der jemals geschrieben wurde. Wir versuchen immer, uns Coversongs auszusuchen, die niemand von uns erwarten würde. Genauso war es schon damals, als wir CHAIN OF STRENGTH gecovert haben, denn wie die klingen wir auch keineswegs!
Apropos INTEGRITY: Nach langen Jahren der Abstinenz auf deutschen Bühnen, werden auch sie dieses Jahr wieder durch Deutschland touren. Was denkst du über die derzeitigen Reunions vieler alter Hardcore-Bands, zum Beispiel GORILLA BISCUITS oder BAD BRAINS? Ist das für dich rein positiv behaftet, alte Helden wiederkommen zu sehen, oder hat das auch zum Teil einen bitteren Beigeschmack?
Wir spielen bald eine Show mit INTEGRITY in Belgien und da freue ich mich schon sehr drauf, denn ich habe sie noch nie zuvor live gesehen. Für manche Bands ist es bestimmt ein Erfolg, zurückkommen zu können und neueren Bands zu zeigen, wie man es richtig macht, aber für andere trifft das eben nicht zu. Welche Bands das sind, musst du aber selbst entscheiden. Die Kids entscheiden heutzutage so etwas sowieso ganz für sich alleine. Entweder sie gehen zu einer Show oder eben nicht. Aber wenn sie nur meckern, dann sollen sie es erst mal selbst besser machen. So einfach ist das.
In den letzten 15 Jahren ist viel passiert. Euer Weg führte euch von Lost & Found über Kingfisher Records und I Scream Records bis hin zum heutigen Label GSR. Wie fühlt es sich an, auf einem Label zu sein, das aus dem eigenen Land stammt und obendrein noch die langjährigen Freunde von KNUCKLEDUST zu euren Labelmates macht?
GSR ist nicht nur ein Label aus den Niederlanden, sondern ist obendrein in unserer Heimatstadt Maastricht ansässig, so dass uns die Wahl nicht schwer fiel. Zu I Scream halten wir immer noch guten Kontakt, böses Blut gab es da also nicht wegen des Wechsels. Dass KNUCKLEDUST nun mit uns auf dem gleichen Label sind, ist wirklich großartig, das gibt uns die Möglichkeit, noch öfter Shows zusammen zu spielen, denn wir sind schon lange mit ihnen gut befreundet. Sicherlich ist GSR nun schon unser viertes Label, das ist nicht von der Hand zu weisen, aber die Art und Weise, wie wir mit ihnen arbeiten, macht uns sehr glücklich und das ist doch immer noch das Wichtigste
Wir haben ja nun schon über die verschiedenen Labels gesprochen, aber was ist eigentlich mit den ganz alten Alben aus den frühen 90er Jahren? Ich rede zum Beispiel von "Rebel 4 Life", dieses Album bekommt man so gut wie nirgendwo mehr zu kaufen. Habt ihr jemals über ein Rerelease des Albums nachgedacht, vielleicht noch mit ein wenig Bonusmaterial für die Fans?
Gute Idee! Ich glaube, Lost & Found werden sich freuen, wenn ich sie anrufe und ihnen diesen Vorschlag mache, haha. Auch "All Bets Are Off", das damals bei Kingfisher Records erschien, ist heute nur noch schwer zu bekommen, von daher sollten wir über einen Rerelease beider Alben nachdenken. Aber jetzt steht erst mal eine Tour an, um unser neues Album zu promoten. Für Rereleases ist also später immer noch Zeit.
Was antwortest du, wenn ich sage: "Hardcore bands are just fans that play instruments"?
In unserem Fall stimmt das. Wir fingen 1994 an als Hardcore-Fans, die selbst ein wenig Krach machen wollten. Ein paar Wochen später hatten wir dann schon den Plattenvertrag mit Lost & Found, aber natürlich hätte das auch alles ganz anders laufen können. Wir sind selbst immer noch Fans und sehr dankbar, überall auf der Welt auftreten und nebenbei noch jedes Wochenende großartige Bands sehen zu können. Hardcore music can be very simple but it takes dedication to last 15 years in this scene.
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