Jeden Sommer aufs Neue locken Holm, Daniel und eine Horde Helfer Punks in den wilden Osten. In Glaubitz, auf halbem Weg zwischen Dresden und Leipzig, spielt dann das Who’s who der inländischen wie internationalen Punkszene. Dieses Jahr sind vom 14.-16.07. unter anderem SLIME, DIE KASSIERER, THE CASUALTIES, D.O.A., TSOL und COSMIC PSYCHOS dabei – und wir wollten von Holm und Daniel, wie das alles so läuft.
Was macht euer Festival so einzigartig?
Holm: Die Bandauswahl. Im Hinterkopf habe ich immer die Frage, ob das Line-up mich als Gast ansprechen würde. Natürlich ist einem bewusst, dass der persönliche Anspruch ein anderer ist als der unserer meisten Gäste. Ob diese Herangehensweise für den Erfolg der Veranstaltung die cleverste ist, steht dann noch mal auf einem ganz anderen Blatt. Im Feedback unserer Gäste stehen die ausgesprochen relaxte Atmosphäre, das angrenzende Waldbad, in dem speziell am Samstagvormittag der Punk tobt, und die musikalische Umrahmung des Ganzen im Mittelpunkt. Das Back To Future ist für nicht wenige wie ein Familientreffen, der Termin im Jahr, an dem man mit alten und neuen Weggefährten Anekdoten austauscht und Pläne für die kommende Zeit schmiedet.
Daniel: Ja, der provinzielle Charme mit dem anliegenden Naturbad hat einen ganz besonderen Reiz für unser Stammpublikum. Ein Großteil unserer Besucher wohnt bundesweit verteilt in den Metropolen. Ich vermute mal, dass sich bei ihnen in den paar Tagen ein Urlaubsfeeling einstellt. Dies alles in Verbindung mit Bands aus den verschiedensten Stilrichtungen des Genres, dazu der Mix aus Newcomern, altbewährten Bands und einigen, die man hierzulande relativ selten live erleben kann, macht das BTF schon auf seine Art „einzigartig“. Wir sind auch ein klein wenig davon angetan, dass das BTF für einen Teil unseres Publikums das Lieblingsfestival der Saison ist. Dieses Feedback erhalten wir immer wieder und immer öfter.Wer einmal die Atmosphäre erlebt hat, kommt immer wieder.
Auf welche Bands freut ihr euch dieses Jahr ganz besonders?
Holm: Für mich, der sich schon bei einer Clubshow unwohl fühlen kann, bei der hundert Leute anwesend sind, spielen die kleineren und unbekannteren Bands die Hauptrolle. Sie sind das Salz in der Suppe. Ich bin auch gespannt, ob Bands wie COSMIC PSYCHOS oder ASTA KASK die Würdigung erfahren, die ihnen meiner Meinung nach zusteht. Rückblickend bin ich dann doch immer wieder positiv von unseren Besuchern überrascht worden. Da gab es ab und an Bands, die aufgrund ganz persönlicher Vorlieben auf der Bühne landeten und bei denen ich mir fast sicher war, die könnten ein bisschen am gemeinen Interesse vorbeigehen. Wenn im Anschluss sowohl Band als auch Besucher feststellen, etwas ganz Besonderes erlebt zu haben, freut man sich umso mehr über das geglückte Experiment.
Daniel: Dass es endlich mal mit ASTA KASK geklappt hat, freut mich persönlich. Bands wie T.S.O.L., CHELSEA, COSMIC PSYCHOS und INFA RIOT, die ja auf ihre Art Musikgeschichte geschrieben haben, sieht man in unseren Breiten auch nicht alle Tage. Auch SLIME haben mich geprägt, die wichtigste Deutschpunk-Legende aller Zeiten. Und DIE LOKALMATADORE liegen im Moment eigentlich auf Eis, da sie aber eine besondere Affinität zum BTF haben, wie auch umgekehrt, spielen sie exklusiv bei uns und bringen gleich als weiteren Höhepunkt noch die reunierten RUHRPOTTKANAKEN mit.
Wie schwer oder leicht ist es, so was auf die Beine zu stellen?
Holm: Die Sache ist über die Jahre langsam größer geworden, so dass es uns die Möglichkeit gab, an den Dingen zu wachsen. Dennoch gibt es regelmäßig Umstände, die das Ganze immer wieder in Frage stellen. Das nervt unglaublich, kostet Energie und Zeit. Über die Jahre haben wir Freunde um uns versammelt, die eine fähige Crew abgeben, die mit uns durch dick und dünn gehen, unsere Defizite erkannt haben und diese zu kompensieren versuchen.
Daniel: Das BTF ist schon eine Art D.I.Y.-Projekt. Wir betreiben das Festival und ein paar Clubshows neben den normalen Jobs, sprich: wir opfern fast jede freie Minute und unseren Urlaub für das Festival. Dabei bleiben auch immer paar persönliche Dinge auf der Strecke. Zudem haben wir den Anspruch, dass sich Publikum und Bands bei uns wohl fühlen sollen und das kostet zusätzlich Zeit und Geld. Glücklicherweise haben wir eine sensationelle Crew im Rücken, die sich mit dem Festival genauso sehr identifiziert und uns auch immer mal in den Arsch tritt. Alles unter dem Motto: „Von der Szene – für die Szene!“ Gewisse Automatismen in Sachen Logistik sind – Punk sei Dank – mittlerweile eingespielt, dennoch hatten wir auch dieses Jahr mit der behördlichen Genehmigung zu kämpfen. Das reibt auf und belastet das Gemüt.
Wie viele Menschen arbeiten an dem Festival, wer macht was?
Holm: Ich glaube, dass unsere Küchencrew beinahe 200 Abendessen pro Veranstaltungstag kocht. Um etwas zu essen zu bekommen, musst du schon irgendwas gemacht haben. Beispiele: Auf dem Zeltplatz für Ordnung sorgen, das Festivalgelände wieder in einen vorzeigbaren Zustand bringen, ein paar Hits unters Volk bringen, Bier bis zum Abwinken ausschenken, die Stromversorgung gewährleisten, das Merch der Bands verkaufen, den Ton oder das Licht passend gestalten, Festivalbändchen verkaufen, Besucherströme ordnen und regeln, als Sanitäter oder Feuerwehrmann im Einsatz sein, Bands, Tourmanager, Mercher an die Hand nehmen, Bands vom Flughafen holen, Helfer einteilen und und und. Es gibt tausend Dinge, die getan werden müssen.
Daniel: Es kommt darauf an, einen möglichst reibungslosen Ablauf vor Ort zu gewährleisten. Dabei arbeiten wir mit etlichen Firmen und Vereinen auch aus der Szene Hand in Hand zusammen. Das sind dann schon mal 100 bis 150 Leute, die gleichzeitig im Einsatz sind. Nicht zu vergessen die lieben Personen, die sich im Vorfeld um Flyer-Plakat- und Anzeigenlayout, Betreuung der Homepage und der Verteilung des Werbematerials kümmern. Wir sind allen Beteiligten super dankbar.
Glaubitz ist – verzeiht bitte – tiefste sächsische Provinz. Wie schwer hat man es da, so ein explizites Punkfestival durchzuziehen und dabei völlig auf jeglichen hohlbirnigen Deutschrock zu verzichten?
Holm: Wenn man betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte anlegen würde, wäre die eine oder andere Band aus dem Genre sicher ein Muss. Obwohl die BTF-Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen, kommt das Gros aus dem Osten. Und die 15- bis 25-Jährigen entspringen den geburtenschwachen Jahrgängen nach der Wende, so dass man schauen muss, wie man Leute für so eine Nischenveranstaltung rekrutiert. Deutschrock ist für uns keine Option. Das passt weder musikalisch noch menschlich. Das sind zwei verschiedenen Welten. Man sollte sich bewusst sein, dass ein Festival in dieser Art und mit diesem Anspruch kein wirtschaftlich lohnendes Unternehmen sein kann.
Daniel: Ich komme aus der politisierten Punk-Szene, schon zu DDR-Zeiten habe ich als Rotzlöffel meine ersten Punk-Konzerte besucht. Deutschrock oder Ähnliches aus wirtschaftlichen Gründen zu integrieren, war und wird nie Thema sein. In Zeiten der ganzen ...gIdA-Scheiße ist es super wichtig, dagegen zu halten und nicht deren Sympathisanten aus finanziellen Gründen auf unser Festival zu holen.
Das Festivalgeschäft ist ein Haifischbecken, alles wird immer größer und teurer, wer mit den dicksten Geldbündeln wedelt, bekommt die attraktivsten Bands. Wie hält man da durch und dagegen?
Holm: Es ist ernüchternd. Tatsächlich kann man sich nicht ganz vom Versuch „mit- oder dagegenzuhalten“ freimachen. Im Idealfall sollte es keine Rolle spielen, tut es aber leider doch. Es gibt unglaublich viele Bands, und eine Menge davon sind gar nicht schlecht. Es steht immer die Frage im Raum: Kann man mit guten, aber weniger namhaften Bands den riesigen Aufwand stemmen? Wir hoffen einfach, die Bands erkennen, welch geniale Stimmung hier herrscht, dass eine Truppe mit Herz und Blut am Werk ist und es sich lohnt, kleine Abstriche in finanzieller Hinsicht in Kauf zu nehmen, wenn man dafür mit einem leidenschaftlichen Publikum und einer engagierten Crew belohnt wird.
Daniel: Mittlerweile ist es wirklich krass ... Und dann wird noch ein Gebietsschutz von einem großen Festival reingeknallt, obwohl die Agentur Interesse gezeigt hat beziehungsweise die Band auch bei uns gern auftreten würde. Die großen Reunion-Shows einiger namhafter Bands erwiesen sich letztlich doch oft als riesiger Flop. Wir arbeiten lieber mit den Booking-Agenturen und Bands zusammen, die unsere Ausgangslage kennen und uns als ehrliche Partner schätzen. Ich hoffe einfach mal darauf, dass sich die Szene positioniert und nicht auf Mainstream-Festivals rennt, bei denen man 100 Euro und mehr zahlt, um die jeweilige Lieblingsband für 35 Minuten im Nachmittagsprogramm zu sehen ... Und noch vielmehr hoffe ich, dass entsprechende Bands zu ihren Wurzeln zurückkehren und doch lieber Headliner auf einem kleinen feinen Punkfestival sind. Doch nicht nur die Gagen und Anforderungen der Bands steigen stetig, sondern auch die Kosten der gesamten Festivallogistik. Diese müssen wir auch zwangsläufig vorsichtig in die Ticketpreise einkalkulieren. Dieses Jahr sind sie aber stabil geblieben. Wir treffen uns im Juli in Glaubitz!
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