Daniel Kunze und Holm Weichhold sind die kreativen Köpfe hinter dem Back To Future-Festival, das alle Jahre wieder (diesmal 12.-14.07.) in Glaubitz stattfindet – in einem Freibad. Ich stellte Holm ein paar essentielle Fragen.
Kannst du mir erklären, was dich nach all den Jahren am Festivalveranstalten kickt? Hat man nach einem Jahr einfach all den Stress vergessen und fängt wieder von vorne an?
Ich lasse das letzte Festival gerade noch mal vor meinem inneren Auge Revue passieren. Megafertig von zwei kräfteraubenden Aufbau- und Last-Minute-Planungswochen startet das Festival. Beinahe zwölf Monate mit täglichen Mails, Telefonaten und Absprachen zum Festival 2017 liegen hinter uns. Aufbauarbeiten sind erledigt. Gemeinde, Bauamt, Ordnungsamt und Polizei haben sich davon überzeugen können, dass wir alle möglichen Risiken im Blick haben und den rechtlichen Vorschriften genügen. Irgendwie ist es mir unvorstellbar, dass das Ganze glatt über die Bühne geht und momentan steht mir alles andere im Sinn als eine Neuauflage im Jahr 2018. Stehen, wie schon beim Aufbau in den vergangenen Tagen und Jahren, im rechten Moment die unglaublich engagierten Helfer zur Stelle, denken für uns mit und bügeln die eine oder andere Planungsschwäche aus? Trotzen alle Bands möglichen Widrigkeiten wie Krankheiten, Verkehr oder kaputten Motoren? Und nicht zuletzt, hält das Wetter und kommen genug Leute, um alle Rechnungen zu bezahlen? Warum haben wir uns das nur eingebrockt? Dann reiten die ersten froh gelaunten Gäste ein und wie jedes Jahr staunen wir über die Länge der Anreisewege. Aber egal, ob man am Einlass zu tun hat, an einem Bierwagen stoppt, mit einer Band die Abrechnung macht oder mit Helfern und Bands im Cateringbereich sitzt, einfach überall wird man vom positiven Feedback und den lobenden Worten förmlich erschlagen. Oft ist man peinlich berührt, weil niemand zu merken scheint, dass wir uns alle auf Messers Schneide bewegen. Hier und da folgen Erklärungen, wie viele Leute Anteil an der Sache haben, nicht immer ist dafür genug Zeit. Wirklich jeder scheint mit Enthusiasmus dabei zu sein und hat Spaß in den Backen. Selbst Helfer, die mitunter körperlich an ihre Grenzen gehen müssen, sind begeistert und verabschieden sich mit: „Bis spätestens nächstes Jahr!“ Man verspürt so eine Art Verantwortung, dass diese Vorfreude nicht enttäuscht wird, und so ist man schneller wieder dabei, sich Gedanken über ein nächstes Back To Future zu machen. Wahnsinn.
Was ist für dich das Highlight des 2018er-Programms, bei welchen Bands bist du besonders stolz, dass du sie bekommen hast?
Die Beantwortung dieser Frage fällt dieses Jahr sicher leichter. Definitiv Feine Sahne Fischfilet. Die Jungs waren 2010 schon mal da, als erste Band des Tages, und mittlerweile sieht man, die Jungs haben wirklich das Potenzial, Leute zu erreichen, die nicht im Juze um die Ecke groß geworden sind. Daneben freuen sich Bocky und ich auch auf CYANIDE PILLS, NASTY RUMOURS, PISSE, Knochenfabrik, TELEKOMA und die beständigen LOKALMATADORE.
Manche Festivals sind Big Business großer Agenturen, andere wie eures werden aus der Szene heraus gemacht. Was macht ihr anders?
Big Business? Sagen wir mal so, spätestens mit der Erteilung einer Schankgenehmigung geht dein Finanzamt davon aus, dass du große Geschäfte machst, und dann heißt es sich zu entscheiden. Willst du das Gefühl, das du mit der Veranstaltung erzeugen willst, ausschließlich im Kreise Eingeweihter teilen oder bist du davon so überzeugt, dass diese positiven Emotionen auch bei anderen, bei Jüngeren, bei Leuten außerhalb der eigenen Wahrnehmungssphäre auf fruchtbaren Boden fallen und Energien für eigene Aktivitäten wecken sollen? Dann musst du auch B sagen und hier und da mit den Wölfen heulen. Teamintern muss es dann einfach ein Regulativ geben und beim Einbremsen bin ich gar nicht schlecht. Vom Big Business sind wir deshalb weit entfernt. Trotzdem sind wir froh, dass unser Image und unsere Bandauswahl nicht für jeden interessant sind und einige Dödel und harte Typen aus der Szene nicht zu uns kommen.
Gefühlt kommen immer mehr Auflagen ins Spiel, Sicherheit geht über alles. Muss das eben sein, kann man das leisten, oder ist man auch mal an dem Punkt, wo man wegen des bürokratischen Aufwands alles hinschmeißen möchte?
Der bürokratische Krempel ist tatsächlich eine nervende Angelegenheit. Glücklicherweise konnten wir bei den Behörden immer einen ansatzweise professionellen Eindruck hinterlassen, so dass sie uns mit übertriebenen Anforderungen verschonen. Aber dafür muss man natürlich am Ball bleiben und den Kontakt halten. Das erzeugt Vertrauen, welches wir nicht zu enttäuschen versuchen. Und wirklich Gold wert ist, wenn bei solchen Gesprächen Pragmatiker am Tisch sitzen und zielorientiert die Probleme angehen. Da ist es manchmal blöder, wenn man eine engagierte junge Band mit all dem Buchhaltungs- und Abrechnungskram nerven muss, die so eine Struktur mit sich bringt. Selbstverständlich wissen wir, dass die absolute Mehrzahl der Bands, die bei uns spielen, keine Kohle mit ihrer Musik macht. Trotzdem müssen wir unsere Ausgaben dem Finanzamt oder der Künstlersozialkasse hieb- und stichfest beweisen und treten damit auch eine kleine Papierlawine los. Gern würden wir beiden Seiten dieses nervige Prozedere ersparen, was wohl ein Wunschgedanke bleiben wird.
Dein Top und dein Flop am Festivalmachen?
Top: Zu sehen, wie agil, energiegeladen, vielseitig und innovativ das Ganze noch ist, wenn sich beim Festival die Grenzen zwischen denen auf und denen vor der Bühne verwischen. Obwohl es schon tausendmal totgesagt wurde. Flop: Wahrscheinlich das eigenen Unvermögen in Sachen Zeitmanagement und zu merken, dass schon wieder ein Jahr vorüber ist, ohne sich mal eine angemessene Auszeit von dem Festival und seiner eigentlichen Arbeit genommen zu haben.
Joachim Hiller
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