B-MOVIE RATS

Und noch mehr gottverdammter Rock´n´roll! Aus Los Angeles! Von den B-MOVIE RATS! Die Burschen treten Arsch wie Sau, können es locker mit NASHVILLE PUSSY, ZEKE und GLUECIFER aufnehmen und sind dabei doch noch ´ne Spur punkiger. In Ox #30 feierte Norbert bereits ihr Album "Killer Woman" (erschienen auf Dead Beat Rec.) ab, dann durftet ihr sie auf der "Weird, Waxed & Wired"-Compilation hören, und jetzt gibt´s im Ox das Interview, geführt vor Ort von Tony Fate (früher GREY SPIKES, heute BELL RAYS) mit Derek Christensen (Gesang), Curt Florczak (Gitarre), Bill Graves (Bass) und Slick Rick (Schlagzeug).

Mir ist aufgefallen, dass die meisten eurer Songs in einem schnellen 2/4-Takt gespielt werden. Ist das Absicht?

Rick: Ich mag einfach schnelle Sachen und so ziemlich alles, was ich schreibe, ist schnell. Und die anderen werden dir bestätigen, dass das ganz gut zu unseren Songs passt. Obwohl, wenn´s nach denen ginge, wären die Songs wohl nicht so schnell.

Bill: Ja, aber was sollen wir machen? Du kannst dich ja immer nicht beherrschen.

Rick: Jaja, du hast ja recht. Aber jeder von uns schreibt seine Songs halt anders und so haben wir insgesamt ja doch einen ausgewogenen Sound.

Curt: Wir probieren auch immer wieder mal was neues aus. Wir haben zum Beispiel diesen neuen Song, der schnell losgeht und dann beinahe bis auf STOOGES-Geschwindigkeit abgebremst wird, einfach um das mal auszuprobieren. Und wenn es so besser klingt, dann machen wir das - wenn nicht, dann nicht. Aber wir machen nichts nur deshalb schnell, damit es schnell ist, es muss eben passen.

Rick: Solche Veränderungen im Sound kann man eben nicht übers Knie brechen. Unser erstes Album ist ziemlich schnell, und ich bin ein Anhänger der These, dass man beim zweiten Album nicht mit grossen Veränderungen aufwarten sollte. Ich meine, hör dir mal die Platten der meisten legendären Bands an, deren erste paar Platten klingen alle ziemlich ähnlich.

Bill: Abgesehen davon sind wir live sowieso immer schneller als auf Platte, das lässt sich nicht verhindern.

Der Grund für meine Frage war einfach der, dass ich festgestellt habe, dass die meisten Bands "ihr" Grundtempo haben, in das sie immer wieder verfallen.

Rick: Das stimmt schon: live ist es total schwierig langsam zu spielen.

Derrick: Du bist einfach aufgeregt und spielst drauflos.

Curt: Letzte Woche haben wir einen RUNAWAYS-Song gespielt und mussten uns richtig zwingen langsam zu spielen - der hat eben ein ganz anderes Tempo als unsere eigenen Sachen.

Bill: So ein Song muss sich einfach "richtig" anfühlen. Wenn ein Song nicht schnell ist, stimmt das Gefühl nicht. Klar, manchmal wäre langsamer vielleicht besser, aber wenn man sich anstrengen muss langsamer zu spielen, den Song so auf KISS-Niveau abbremst - wir haben das bei "Don´t run away" gemacht und es funktioniert -, dann ist das irgendwie verkrampft und klappt meist überhaupt nicht.

Wie geht ihr damit um, dass man als Band letztendlich immer wieder den gleichen Song schreibt?

Bill: Bescheissen. Einfach irgendwo einen kleinen Dreh einbauen und drauf setzen, dass niemand dahinterkommt.

Curt: Wo ist das Problem? Wenn du in einer Rock´n´roll-Band spielst, passiert das zwangsläufig. Und ich persönlich habe auch nicht vor auf Teufel komm raus neues Terrain zu betreten. Rock´n´roll sollte meiner Meinung nach simpel sein. Nimm Chuck Berry: der hat letztendlich immer wieder ein und denselben Song gespielt, ohne dass das seine Genialität einen Abbruch getan hätte. Und von den RAMONES und AC/DC brauchen wir in der Hinsicht gar nicht erst zu reden. Klar, es ist cool als Band deinen ureigenen Sound zu haben, aber mit dem Anspruch treten wir nicht an.

Rick: Wir bemühen uns zumindest nicht zu offensichtlich abzukupfern. Und wenn was ähnlich klingt, kann man ja immer noch den Text ändern...

Curt: Mir ist wichtig, dass ein Song so einen eigenen Dreh hat, dass da was ist, das hängenbleibt und mit dem man die Leute infizieren kann: eine Melodie, ein Gitarrenakkord...

Derrick: Wir achten jedenfalls immer darauf, dass wir bei live nicht zwei ähnliche Songs direkt nacheinander spielen.

Würdet ihr denn sagen, dass ihr euren ureigenen Sound habt oder klingt ihr eher wie eine Mischung aus euren Einflüssen?

Rick: Ja und nein. Klar, wir haben Einflüsse. Ich hasse Bands die behaupten, so wie sie klinge keine andere Band, sie seien völlig eigenständig. Sowas ist eine verdammte Lüge. Nein, man kann nur auf das aufbauen, was andere vorher schon gemacht haben. Bill hat eben Chuck Berry erwähnt: ohne Leute wie ihn würde es eine Band wie unsere heute nicht geben.

Curt: Ich denke, wenn vier Leute richtig gut zusammenarbeiten, dann ist da genug an Unterschieden vorhanden, um Musik zu spielen, die doch eigenständig klingt. Klar, man wird immer die Einflüsse heraushören, aber so ist das doch bei allen grossen Rock´n´roll-Songs. Die Leute wollen doch auch was zu hören bekommen, zu dem sie einen Bezug haben.

Was ist das härteste daran in einer Band zu spielen?

Derrick: Sich zu beherrschen und nicht gleich gegenseitig umzubringen.

Rick: Drei Freundinnen gleichzeitig zu haben.

Curt: Drei Ehefrauen zu haben!

Bill: Ein Arschloch zu sein und niemand anderes leiden zu können.

Curt: Das härteste ist bei jedem Konzert zu spüren, welches Potential die Band hat und wieviel Spass es macht zu spielen - und doch musst du jeden Tag irgendeien Scheissjob machen und kannst nicht von deiner Musik leben. Dabei steckt dein ganzes Herzblut in der Musik, du wärst einfach vollkommen glücklich, wenn du nur die Band hättest.

Tja, es ist wohl so dass Kreativität nicht gerade hoch im Kurs steht und auch nicht gerade belohnt wird.

Bill: Blicken wir den Tatsachen ins Gesicht: Musik ist heute in unserer Gesellschaft nicht mehr so wichtig wie noch vor zwanzig Jahren.

Rick: Sogar für die grossen Bands läuft es heute nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Jahren. Die Leute gehen einfach nicht mehr so oft auf Konzerte. Und wenn´s schon für grosse Acts nicht mehr so gut läuft, was sollen wir dann sagen?

Bill: Man muss sich nur mal vorstellen, dass sich mehr Leute im Kino "Titanic" angesehen haben als im gleichen Zeitraum bei allen grossen Bands zusammen auf Konzerten waren.

Curt: Man sieht das schon daran, dass heute Bands hier in L.A. im Whiskey als Headliner spielen, die von allen grossen Radiosendern gespielt werden, und der Laden ist trotzdem nicht ausverkauft. Scheinbar angesagte grosse Majorlabelbands spielen heute vor annähernd genauso viel Leuten wie angesagte Punkbands - das Publikum allerdings ist ein ganz anderes.

Wie würdet ihr für euch Erfolg definieren bzw. wann würdet ihr sagen, dass die B-MOVIE RATS erfolgreich sind?

Bill: Wenn ich die Jungs nur sehen muss, wenn der nächste Studiotermin ansteht.

Derrick: Wenn ich nicht mehr arbeiten muss und wir jeden Abend vor zwei- oder dreihundert Leuten spielen können. Und wenn genug Geld rüberkommt, damit die Miete bezahlt ist. Platten machen und jeden Tag bis mittags schlafen. Dann würde ich genau das machen, was ich will.

Bill: Erfolg ist für mich, wenn ich nicht mehr obdachlos bin und endlich eine richtige Adresse habe, nicht nur ein Postfach. Andererseits wäre ich dann 51 Wochen im Jahr unterwegs.

Curt: Wenn ich morgens meine Gitarre nehme und sage "Schatz, ich gehe zur Arbeit".

Derrick: Eigentlich sind wir schon erfolgreich: wir wollten eine Platte machen, die so klingt wie diese, wir haben sie gemacht. Wir wollten auf Tour gehen, wir sind auf Tour gehen. Alles in allem läuft es gut - es kann nur besser werden...

Was hört ihr ausser Rock für Musik?

Bill: Echte Country-Music.

Curt: Jazz, aber vor allem doch Rock. Und klassischen Blues, etwa Muddy Waters, Robert Johnson, Elmore James.

Derrick: John Lee Hooker, Etta James.

Rick : Das ist doch aber Rock´n´roll, oder?

Curt: Ja, für mich ist das Rock´n´roll.

Rick: Du hast Country erwähnt - für mich gehört das alles zusammen.

Bill: Ja, aber wir versuchen uns ja so auszudrücken, dass es der gemeine Punkrocker draussen auf der Strasse auch versteht.

Genau, die Leute brauchen klare Unterscheidungen.

Rick: Ich mag auch alte Discosachen aus den Siebzigern.

Derrick: James Brown.

Bill: Es mag trivial klingen, aber wenn etwas rockt, dann ist es völlig egal, in welche musikalische Kategorie das nun fällt.

Was war die erste Platte, die ihr euch gekauft habt bzw. die einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat?

Derrick: Das war "The Wizard Of Oz". Die habe ich mir damals gekauft.

Bill: BLACK SABBATH, "Sabbath Bloody Sabbath". Das war die erste Nicht-Folk-Platte, die ich in meinem Leben hört - mit drei...

Rick: BLACK FLAG, "Damaged".

Curt: THE WHO - entweder "Live at Leeds" oder "Quadrophenia".

Wie versucht ihr als Musiker und Songwriter besser zu werden?

Bill: Ganz einfach: wir beschimpfen uns gegenseitig.

Curt: Einen guten Song zu schreiben nur um des Songs willen, das ist mein persönliches Ziel. Sich die musikalische Begeisterungsfähigkeit bewahren.

Bill: Sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass es sowas wie Lückenfüller nicht geben darf, sondern nur erstklassige Songs. Ich habe früher in Bands gespielt, in denen schonmal gesagt wurde, "O.k., der Song ist gut genug, das muss reichen". Scheisse, das kommt für mich nicht in Frage: ein Songs muss immer 100% arschtreten oder ich habe keine Lust drauf.

Rick: Wir beurteilen jeden neuen Song vor dem Hintergrund, ob er auf ein neues Album passen würde. Ein Songs muss vor unseren eigenen hohen Erwartungen bestehen können, ein Denken in Kategorien von A-Seiten und B-Seiten oder Füllmaterial gibt es bei uns nicht.

Bill: Ich habe keine Lust auf Platten, bei denen man das Gefühl hat, zum nächsten Song weiterskippen zu müssen. Leider ist das bei mindestens der Hälfte der Platten so, die ich derzeit in die Finger bekomme. Ich meine, was soll die Scheisse? Da hat eine Band sieben Songs fertig, das ist aber kein richtiges Album, also will das Label noch fünf weitere, die dann noch eben aufgenommen werden, obwohl die keiner braucht. Ich habe keine Ahnung, warum sich manche Bands auf so ein Spiel einlassen.

Curt: Für mich ist am wichtigsten, dass ein Song dieses gewisse Etwas hat. Es gibt so viele Songs, die technisch und musikalisch scheinbar alles haben, was man so braucht, aber doch fehlt der entscheidende Kick - etwa die Melodie, die ins Ohr geht, die hängenbleibt.

Ich weiss, was ihr meint. Dieses Thema taucht in sehr vielen Bandinterviews auf. Da werden die musikalischen Einflüsse aufgezählt und fast immer sind dann die RAMONES, die NEW YORK DOLLS und so weiter dabei. Und warum? Weil diese Bands jenen Standard gesetzt haben, den ihr eben erwähnt habt: hört man sich diese alten Klassikerscheiben mal an, stellt man fest, dass da nur Hits drauf sind und keine Lückenfüller. Heute scheint das kaum noch ein Band zu beherzigen.

Derrick: Exakt - die RAMONES waren dafür ein gutes Beispiel.

Bill: Und AC/DC bis zum Tod von Bon Scott. Diese Platten kannst du alle komplett durchhören. Wenn ich eine Platte habe, auf der ich nicht alle Songs mag, nehme ich mir nur die besten auf Cassette auf und fasse die Platte nicht mehr an.

Rick: Wenn man nur mal überlegt, wie oft es einem mittlerweile passiert, dass man sich ein Album einer neuen Band kauft und dann feststellt, dass nur drei oder vier wirklich gute Songs drauf sind... Da fühle mich irgendwie verarscht.

Ich vertrete die Theorie, dass eine Band, die auf der Bühne für den Aufbau ihrer Instrumente mehr als zehn Minuten braucht, mit hoher Wahrscheinlichkeit Scheisse ist.

Derrick: Amen!

Bill: Und wenn eine Band mehr als fünf Minuten braucht, um ihr Equipment abzubauen und von der Bühne zu verschwinden, sollte man den Jungs Napalm ins Arschloch pumpen!

Derrick: Das ist einfach eine Frage der Professionalität: Bist du Profi oder solltest du besser noch ´ne Weile im Proberaum bleiben?

Bill: Ich habe für all die Drummer dieser Welt nur eine Botschaft: Baut euern Scheiss hinter der Bühne auseinander! Ihr müsst eure Cymbals nicht AUF der Bühne verpacken!

Was wird die Zukunft für die B-MOVIE RATS bringen?

Bill: Viel Touren.

Curt: Viel Touren und soviele neue Aufnahmen wie möglich.

Derrick: Mehr Touren und gleichzeitig grösser und besser werden.

Grösser und besser zu werden ist ja eine gute Sache, aber wo ist die Grenze, wann ist es zuviel? Sagen wir, jemand macht euch das Angebot, bei diesem Sublabel von Warner zu unterschreiben, mit der Auflage, dass ihr es etwas ruhiger angehen lasst und mit diesem Produzenten aufnehmt, der auch schon für Tori Amos gearbeitet hat...

Bill: Sowas würden andere wohl für grösser und besser halten...

Curt: Es gibt ja diese Tendenz, eine Band gutzufinden, solange sie klein und noch eher unbekannt ist. Und wenn sie dann viele Leute gutfinden, lässt man sie fallen und fühlt sich gut, weil man sie vor allen anderen gekannt hat. Weisst du was? Ich denke, das ist gar nicht so falsch, denn ich komme immer mehr zur Einsicht, dass die meisten Leute wie Schafe sind: die rennen einfach mit der Herde mit. Wenn du etwas über Fernsehen und Radio und die Zeitungen permanent reingeschoben bekommst und plötzlich jeder drauf steht, dann habe ich da schon keinen Bock mehr drauf, dann hat es seinen Reiz für mich verloren. Abgesehen davon kann ich mir beim heutigen Zustand der Musikwelt aber auch nicht vorstellen, dass Bands, die Rock´n´roll so ähnlich spielen wie wir, in die Situation kommen, in einem grossen Stadion oder so zu spielen. Diese Musik taugt nicht für den Massenkonsum. Nein, wir spielen "Bar-Rock" - und wie sollen wir von diesem Level je wegkommen? Und würden wir das überhaupt wollen? Klar, das Geld wäre nicht schlecht, aber ich habe eigentlich keinen Bock, dass irgendwelche Deppen bei den Konzerten auftauchen, die überhaupt nicht kapieren, was Rock´n´roll überhaupt ist.

Rick: Es ist wichtig, ganz allmählich grösser zu werden: nach und nach mehr Platten verkaufen, vielleicht mal zu einem grösseren Label wechseln, grössere Konzerte spielen. Aber als kleine Band ´nen Majorvertrag unterschreiben, das geht schief: wenn es nicht klappt, hast du alles verloren, auch deine alten Fans.

Bill: Der Idealfall sähe für mich so aus, dass wir im Jahr fünf Millionen Platten verkaufen, aber nach wie vor Konzerte in kleinen Clubs vor hundert Leuten spielen. Und diese hundert Leute stehen zu 100% auf unsere Musik, die sind nicht da, weil es hip ist uns gutzufinden. Natürlich würden wir das Geld von den Leuten nehmen, die die Platte nur kaufen, weil es gerade angesagt ist, aber ich will diese Leute nicht auf meinen Konzerten sehen.

Übersetzung: Joachim Hiller