Mit HANOI ROCKS haben die Finnen in den frühen Achtzigern in Sachen Glam- und Hardrock Maßstäbe gesetzt, und als mit GLUECIFER, HELLACOPTERS und BACKYARD BABIES dann Mitte der Neunziger dieser Sound in modernisierter Form wiederbelebt wurde, geriet eine Band, die sich – ebenfalls aus Finnland kommen – an diesen Sound hielt, etwas ins Hintertreffen. Die Rede ist von den HYBRID CHILDREN, die seit den frühen Neunzigern (Pop-)Punk und Rock auf enorm griffige Weise kombinierten. In den letzten Jahren war es allerdings sehr ruhig um die Band, doch das ist vorbei, denn mit „Fight As One“ ist jetzt auf Wolverine Records ein neues Album erschienen. Das aktuelle Line-up besteht aus: Jesse (Lead-Vocals und Rhythmusgitarre), Pale (Bass und Gesang), Sansman aka Saska (Schlagzeug) und Juho (Leadgitarre und Gesang) – und von denen bekam ich auch meine Antworten.
Ich habe euch im Oktober im „Klubi“ in Tampere gesehen. Es war eine super Show aber, ganz ehrlich, ich hatte ganz vergessen, dass es euch noch gibt. Ich war der festen Überzeugung, es wäre eine Art Comeback-Show. Später musste ich mir sagen lassen, dass ihr euch nie aufgelöst hattet. Also erzählt mir doch mal, wie ist euer Leben in den letzten Jahren so verlaufen?
Jasse: Ja, wir waren die ganzen Jahre da, haben regelmäßig Gigs gespielt und Platten veröffentlicht. „Fight As One“, die neue, ist schon unser siebter Langspieler und zusätzlich dazu haben wir zwei CD-Compilations aus unseren Jahren bei Gaga Goodies 2001 veröffentlicht, oder war es 2002 ... kann mich nicht mehr erinnern, hehe. Darauf war auch Multimedia-Kram: Fotos und alle Musikvideos, die wir bis dahin gemacht hatten.
Saska: Es gab eine ganze Reihe von Änderungen innerhalb der Band über die letzten Jahre. Unser ehemaliger Schlagzeuger Korak entschied sich im Frühjahr 2006, die Band zu verlassen. Daraufhin rief Jesse mich an und fragte, ob ich für HYBRID CHILDREN spielen wolle. Ich musste nicht wirklich lange darüber nachdenken, schließlich kenne ich Jesse schon, seit wir Kinder waren, und ich war immer ein großer Fan von HYBRID CHILDREN. Irgendwie fühlte ich mich auch verantwortlich, weil mein älterer Bruder Kelly der ursprüngliche Schlagzeuger von HYBRID CHILDREN war. Eigentlich hat nur meine Mutter noch nicht auf einem HYBRID CHILDREN Album gespielt, hehe! Mein Vater Tesku hat bei „Social whore“ auf dem „Uncensored Teenage Hardcore“-Album ein Akkordeonsolo gespielt. Vielleicht singt meine Mutter ja Backing Vocals auf dem nächsten Album ...
Jasse: Nach dem „Stardom Is Here“-Album ging unser ursprünglicher Gitarrist nach Peru und hat dort eine Frau gefunden. Sein Nachfolger Lauri spielte dann auf „Ghost Town Carnival“, 2004. Danach konzentrierten sich Lauri und unser Ex-Schlagzeuger Korak zunehmend auf ihre eigenen Bands, THE DASH und 45 DEGREE WOMEN, was dazu führte, dass wir die halbe Band ersetzen mussten, das hat eine ganze Weile gedauert. Einen neuen Schlagzeuger hatten wir sofort. Aber unseren neuen Blaster-Punkrock-Gitarristen Juho zu finden, hat über ein Jahr gedauert, du weißt ja bestimmt, wie schwer es ist, die wirklich guten Typen zu finden. Das hat natürlich das Album reichlich verzögert.
Fünf Jahre liegen zwischen dem Album jetzt und dem letzten. Was habt ihr in den Jahren gemacht?
Jasse: Genau genommen sind es nur ein bisschen mehr als vier Jahre, weil „Ghost Town Carnival“ Ende 2004 veröffentlicht wurde, aber egal. Zu den vorher schon angesprochenen Dingen, die diese vierjährige Lücke eigentlich erklären, kam, dass wir das Album über einen Zeitraum von einem Jahr aufgenommen haben. Das hing hauptsächlich mit finanziellen Schwierigkeiten und terminlichen Abstimmungsproblemen zusammen. Unser Manager Sammy Aaltonen und wir hatten über zehn Monate eine Menge privater Probleme, zudem dauerte es auch eine ganze Weile, einen guten Typen zum Mixen zu finden. Es ist immer das Geld, das dazu führt, dass sich alles wieder und wieder verzögert – traurig aber wahr.
Ihr wart eine der ersten Bands, die diesen kickenden Mix aus Punk und Rock gespielt haben. Welche Bands haben euch damals beeinflusst, was ist euer Hintergrund?
Saska: Mein musikalischer Hintergrund beginnt bei den RAMONES, SEX PISTOLS und finnischen Punkbands aus den mittleren/späten 70ern, besonders PELLE MILJOONA. Ein wenig später kam dann die finnische Rockband HURRIGANS, die mich so richtig mit Rockmusik angesteckt haben. Ich mag auch die eine oder andere Metal-Sache ganz gerne, aber im Großen und Ganzen bin ich ein Punk- und Rock-Hörer.
Jasse: Ja, es stimmt schon, als wir 1991 angefangen haben, gab es diese Art von Musik noch nirgendwo. Später kam dann natürlich der GREEN DAY-Boom und noch viel mehr kommerzialisierter Punk, aber das war einige Jahre danach. Saska und ich hatten unsere erste gemeinsame Punkband, als wir zwischen 6 und 9 Jahre alt waren. Wir haben die RAMONES auf ihrer „It’s Alive“ Doppel-Live-Platte mit Tennisschlägern imitiert. Unsere Einflüsse sind also so ziemlich dieselben. Ich meine, klar, STIFF LITTLE FINGERS, THE ADVERTS, ANTI-NOWHERE LEAGUE, BUZZCOCKS, GENERATION X, CLASH, IGGY & THE STOOGES, die alle waren meine Kindheitshelden von klein auf. Dann kamen 1984 METALLICA, über einige Jahre war es ein großer Einfluss, es stellte die direkte Verbindung zwischen 77er-Punkrock und dem Hardcore von Bands wie DISCHARGE und THE EXPLOITED und der brillanten finnischen HC-Band LAMA dar. Zur gleichen Zeit waren für mich aber auch Bands wie die BEATLES und die Spät-70er-Ära von JETHRO TULL und EURYTHMICS – echt wahr! – und die finnische Glamrock’n’Roll-Band HANOI ROCKS wichtig, neben einem großen Mischmasch anderer Bands, da gab’s kein Problem für mich! Später kamen dann selbstverständlich BAD RELIGION und THE WILDHEARTS und die frühen MANIC STREET PREACHERS und so weiter ...
Später in den 90ern haben Bands wie HELLACOPTERS, GLUECIFER oder BACKYARD BABIES diesen Sound aufgegriffen und sind damit richtig erfolgreich geworden. Wie habt ihr das empfunden, wie seit ihr mit diesen Bands klar gekommen?
Saska: Diese Bands sind alle großartig, sowohl auf Platte als auch live. Es ist echt schade, dass die HELLACOPTERS das Handtuch geschmissen haben, großartige Musiker und großartige Songs. Ich ziehe meinen Hut vor den BACKYARD BABIES, die selben vier Typen spielen seit 20 Jahren zusammen, das ist echt nicht einfach.
Wie sieht die Rock-Szene von Helsinki und Finnland heute aus? Irgendwelche interessanten Bands?
Saska: Helsinki ist im Moment eine lebhafte Stadt in Bezug auf Rock. Es gibt mehr und mehr Live-Clubs und auch eine ganze Reihe von Bands in Helsinki. Ich höre nicht viel finnische Musik, aber jedes Mal, wenn SWEATMASTER, OVERATTACKS, STEREO JUNKS, KERHO, PELLE MILJOONA oder eine andere gute Punk/Rock-Band spielt, dann bin ich da. Ältere Bands, wie HANOI ROCKS, HIM, 69 EYS und andere, ziehen aber die größten Crowds.
Erzählt mir mal was über das neue Album. „Fight As One“ ist ein ziemlich tougher Slogan, und das Banner auf eurer Webseite mit diesen Armee-Helikoptern wirkt ziemlich militant. Was ist die Geschichte dahinter?
Jasse: Es geht im Wesentlichen darum: Nicht aufgeben, egal was auch passiert und egal, wie schlimm es auch sein mag. Das ist auch der Grund, warum es auf dem Cover Bomben vom Himmel regnet, aber trotzdem erheben wir unsere Fäuste als eine geschlossene Front und kämpfen gegen den ganzen Scheiß, der uns zu zermahlen droht. Auch wenn du das Gefühl hast, die Welt geht immer mehr vor die Hunde, verfalle nicht in Depression, „fight back“ und schwenke die Fahne bis zum letzten Atemzug. Du musst an ein besseres Morgen glauben, ansonsten macht nichts irgendeinen Sinn.
Saska: „Fight as one“ ist keine militante Sache. Es ist wie die Vorstellung, dass dir Bomben auf den Kopf fallen, aber es dich einfach nicht interessiert, du machst einfach mit dem weiter, was du machen willst.
Wann, wie und wo habt ihr das Album aufgenommen, wer hat es produziert?
Saska: Die Drum- und die Backing-Tracks wurden in den Suomenlinna Seawolf Studios aufgenommen, in einem wirklich schönen alten Schloss. Es ist eine Insel, 20 Minuten Bootsfahrt von Helsinkis Innenstadt, der Rest des Zeugs im Bad Habit Studio und einige Vocal-Tracks in den Nosturi Studios. Sammy Aaltonen, der Sänger von PRIVATE LINE, hat das Album aufgenommen und produziert. Sammy war eine echte Motivationshilfe und hat uns richtig nach vorne gebracht. Dass Teemu Aalto das Album gemixt hat, war eine einfache Entscheidung, weil er ein gutes Ohr für Rock/Metal-Zeug hat und ein Freund von uns ist. Das Album wurde über einen wirklich langen Zeitraum aufgenommen, das werden wir beim nächsten Album anders machen.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Wolverine? Es scheint, ihr hattet immer gute Connections nach Deutschland, besonders in den 90ern.
Jasse: Ja, wir waren früher auf SPVs Rebel Rock-Label und dann auf dem kleineren Loudsprecher. Leider wurde unser 99er „Stardom Is Here“-Album nicht in Deutschland veröffentlicht, eine meiner liebsten Platten von uns. Besorgt sie euch per Mailorder von irgendwoher, wenn ihr könnt. Unser Manager Mr. Sepi oder „Colonel Parker“, wie wir ihn nennen, hat sich mit Sascha von Wolverine in Verbindung gesetzt und es stellte sich heraus, dass Sascha so eine Art „Fan“ von uns war, deshalb war er echt enthusiastisch, was das Albumrelease angeht, weil er es echt gemocht hat. Das ist ja auch kein Wunder: „Fight As One“ geht wirklich voll ab.
Parker: Das Wichtigste für uns war, ein Label zu finden, das bereit war, sich für das Album einzusetzen, und Sascha und Wolverine scheinen dafür die richtige Wahl zu sein. Besonders in Deutschland, weil wir hier noch nicht so bekannt sind. Von allen Labels, die wir kontaktierten und die in Frage kamen, war Wolverine das enthusiastischste. Und was uns wirklich aufmerksam machte, war, dass Sascha zuerst über die Musik und Touren gesprochen hat und nicht über Release-Dates, das Image oder das Geld oder sonst einen Bullshit. Die eigentlichen Verhandlungen waren recht einfach und wir sind froh, dass wir Labels haben, bei denen die Musik an erster Stelle steht, sowohl hier in Finnland als auch in Deutschland.
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