Als TWO-MINUTE WARNING 1976 in die amerikanischen Kinos kam, schrieb ein gewisser Roger Ebert, der ja zu dieser Zeit auch schon seine Schwierigkeiten mit Splatterfilmen hatte, in der Chicago Sun-Times: „There’s a simple clue that helps us understand what’s so wrong with TWO-MINUTE WARNING, the new thriller about a gunman who opens fire at a pro football game.
The movie tells us nothing at all about the gunman. But it takes great pains to establish other characters who are in the movie for a dreadfully simple reason: One by one, they will be shot.
The clue is in the decision to keep the gunman anonymous. The movie’s totally uninterested in the reasons behind his action; he’s necessary only as an agent of violence, so we can be entertained by his victims.
I found that disturbing.“ So weit so gut, aber wo genau ist das Problem, denn genau das will Larry Peerces (der hatte in den 60ern einige Folgen der großartigen „Batman“-Serie gedreht) Film sein, „disturbing“, und das ist er aufgrund seiner zynischen, nihilistischen Konsequenz sogar immer noch.
Weiter beklagt sich Ebert, dass der Film „a cheerfully unashamed exploitation of two of our great national preoccupations, pro football and guns“ sei. Keine Ahnung, ob Ebert das ironisch meinte, zumindest hat das Hauptdarsteller Charlton Heston, der in seinen letzten Lebensjahren vor allem als unverbesserlicher Waffennarr von sich reden machte, offensichtlich nicht weiter gestört.
Der verkörpert hier einen grantelnden Polizeicaptain, der zusammen mit einer Spezialeinheit (angeführt von John Cassavetes, dessen Frau Gena Rowlands direkt auch gleich mitspielt) einen anonymen Sniper ausschalten soll, der sich in einem Footballstadion eingenistet hat, bevor die große Panik ausbricht.
Der Sniper war direkt zu Beginn mit der Erschießung eines unschuldigen Radfahrers als sympathischer Zeitgenosse eingeführt worden. Insofern hat Ebert durchaus Recht, denn ZWEI MINUTEN WARNUNG funktioniert zum großen Teil wie die damals beliebten Katastrophenfilme: es werden erst mal diverse Charaktere eingeführt, damit der Zuschauer auch richtig mitleiden kann, wenn das Flugzeug abstürzt, der Vulkan ausbricht oder das Erdbeben einsetzt.
Der sicher uninteressanteste Part an diesem Film. Dafür sind die parallel ablaufenden, nicht immer erfolgreichen Aktionen, um den Sniper aus dem Verkehr zu ziehen, umso spannender und sogar äußerst realistisch, aufgrund der Problemstellung, das vor Tausenden von Menschen zu verbergen.
Und was damals ein Kritikpunkt war, die fehlende Motivation für die Taten des Scharfschützen, wirkt heute umso faszinierender angesichts der hilflosen Erklärungsversuche für irgendwelche Amokläufer, die selten zu befriedigenden Lösungen führen.
Damit befindet sich ZWEI MINUTEN WARNUNG in bester Gesellschaft mit Peter Bogdanovichs TARGETS und adaptiert damit in gewisser Weise auch eine Idee aus Thomas Harris’ Roman „Black Sunday“ von 1975 (der 1977 verfilmt wurde), in dem ein durchgedrehter Vietnamveteran einen Anschlag auf das Superbowl-Finale in einem Stadion in Miami plant.
Vielleicht kein uneingeschränkter Meilenstein des 70er Jahre Kinos, aber trotz seines vordergründigen Unterhaltungsanspruchs überraschend „thought provoking“ und sogar noch recht brutal. Neben dem Trailer gibt es auf der deutschen DVD mal wieder eine dieser lustigen Super 8-Fassungen , der es tatsächlich gelingt, den 115-minütigen Film halbwegs sinnvoll auf nur 15 Minuten zu komprimieren.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #83 April/Mai 2009 und Thomas Kerpen