YENTOWN

Mein Interesse am modernen japanischen Kino wurde Mitte der 90er vor allem durch drei Filme angeregt: Takashi Ishiis GONIN, Masato Haradas KAMIKAZE TAXI und Shunji Iwais SWALLOWTAIL BUTTERFLY. Während Haradas Film hierzulande immer noch weitestgehend unbekannt ist, lief SWALLOWTAIL BUTTERFLY 2000 unter dem Titel YENTOWN in den deutschen Kinos (GONIN bereits 1998) und erschien jetzt auch endlich mal auf DVD bei Rapid Eye Movies.

Über zehn Jahre hat Iwais 146-minütiges Epos jetzt auf dem Buckel, aber hat eigentlich nichts von seiner früheren Faszination verloren, wobei der Film in Japan eher mal das Publikum spaltete, denn gerade die ältere Generation der Kinogänger konnte mit Iwais wackeliger Handkamera-Ästhetik und seinen grobkörnigen, farblich verfremdeten Bildern, wo sich deutlich dessen Background als Videoclipregisseur zeigte, wenig anfangen.

Man kann darin einen japanischen PULP FICTION sehen, wird dem Film aber damit inhaltlich nicht gerecht, denn SWALLOWTAIL BUTTERFLY ist eher ein naiv-romantisches Märchen mit einem Hauch bitterer Gesellschaftskritik und STREETS OF FIRE-Anklängen, dessen Hauptfiguren einige asiatische Immigranten sind, die ausgegrenzt im Yentown genannten Randbezirk einer nicht näher bezeichneten japanischen Großstadt leben, wo ein Gemisch aus gebrochenem Englisch, Mandarin und Japanisch gesprochen wird.

Ebenso undefiniert ist der zeitliche Rahmen, wobei Iwais Film nichts wirklich futuristisches anhaftet. Als einige dieser Immigranten in den Besitz einer Audiokassette kommen, die sich im Magen eines toten Yakuzas befand, und die den Magnetcode zum Fälschen von 10.000 Yen-Scheinen enthält, scheint das das Ende ihrer bisherigen armseligen, von Prostitution und Kriminalität bestimmten Existenz zu bedeuten.

Man zieht in die große Stadt, eröffnet einen Club und eine der Immigrantinnen – gespielt vom echten Popstar Chara – wird Sängerin einer erfolgreichen Band. Allerdings hält dieser Traum nicht lange an, denn die eigentlichen Besitzer der Kassette lassen nicht lange auf sich warten, und YENTOWN läuft letztendlich auf die simple moralische Botschaft hinaus, das Geld alleine auch nicht glücklich macht.

Eigentlich relativ wenig Handlung für so einen langen Film, aber ähnlich wie in dem 1995 entstandenen Vorgänger LOVE LETTER sind es Iwais emotionaler wie humanistischer Input und seine eigenwillige Ästhetik, zwischen verträumter Poesie und nüchternem, gewalttätigem Realitätsanspruch, die YENTOWN zu einem Schlüsselwerk des 90er Jahre Kinos in Japan machen.

Hinzu kommt auch die Musik, der Iwai alleine schon wegen seiner Hauptdarstellerin Chara sehr großen Raum einräumt – die von ihr gesungenen Songs wurden dann auf einem separaten Album als Yentown Band veröffentlicht und waren ein ziemlicher Hit in Japan.

Aber auch Takeshi Kobayashis massiver Score trägt hier maßgeblich zur intensiven Gesamtatmosphäre bei. Auf eine deutsche Synchro hatte man glücklicherweise verzichtet, denn das seltsame Sprachengewirr hätte man nicht wirklich adäquat umsetzen können.

Für japanophile Menschen absolutes Pflichtprogramm!