Ulrich Gutmair ist Jahrgang 1968 (wie ich), Musikjournalist und Kulturredakteur bei der taz. Als NDW losging, war er, war ich 12 und diese andere, neue, fremde Musik bzw. das, was von Radio und TV gefiltert ankam, verstörte, erstaunte und warf mehr Fragen auf, als die Songtexte beantworteten. Gabi Delgado-Lopez von DAF sang in „Kebabträume“ „Kebab-Träume in der Mauerstadt / Türk-Kültür hinter Stacheldraht / Neu-Izmir ist in der DDR / Atatürk, der neue Herr / Miliyet für die Sowjet-Union / In jeder Imbißstube, ein Spion / Im ZK, Agent aus Türkei / Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei! [...] Wir sind die Türken von morgen!“ und wir verstanden nur ansatzweise – auch Peter Hein, der mit FEHLFARBEN das Lied bald darauf als „Militürk“ noch bekannter machte, erklärte uns nichts. An diesem Song nun hängt Gutmair seine äußerst lesenswerten Kontextualisierung auf, blickt, unterfüttert durch zahlreiche Interviews mit damaligen Akteuren, auf die Siebziger und frühen Achtziger zurück, als aus der Arbeitskräftezuwanderung – „Gastarbeiter“ aus Italien, Spanien, Türkei ... – und den Reaktionen der „biodeutschen“ Gesellschaft und Politik darauf die Spannungsfelder definiert wurden, über die bis heute diskutiert wird: Identität, Heimat, Integration, Nation. Anhand der Stichworte und Texte, die damals in Punk- und NDW-Songs formuliert wurden, zeigt Gutmair spannend und nie verkopft-langweilend auf, in welchen sozialen und politischen Kontexten damals gedacht und diskutiert wurde und macht so erkennbar, warum Deutschland heute so ist, wie es ist. Auch wenn der erste Eindruck und der Untertitel das nicht andeuten: Ein wichtiges, essentielles Buch zum Verständnis von deutschem Punk.