Wenn ich göttliche Fähigkeiten hätte und überhaupt ernsthaft an so einen Stuss glaubte, dann würde ich jetzt auf der Stelle wie Zeus Blitze gen Erde schicken, auf dass sie den Menschen treffen, der sich den Nullbegriff "Raw Vintage" ausgedacht hat.
Hey, du unfassbar dummer Mensch, stirb sofort. Als ob die Schubladen meiner Stilkommode nicht schon zahlreich genug wären und sich bitteschön mit "Garage" oder "Rock'nRoll" oder "Punk" und so weiter sich nicht genug Unfug anstellen ließe.
Aber nein, "raw vintage" - ich fass' es nicht ... Die WHYTE SEEDS aus Schweden jedenfalls packt ihr Label gerne in diese vermeintliche Rubrik, und die Pfeife von "Visions" schreibt den Scheiss auch noch ab.
Nur mal so aus Neugier: Sind die CRAMPS denn dann auch "raw vintage"? Oder die STOOGES? Oder die CYNICS? Oder die SONICS? Immerhin, das Rentner-Blatt "Musikexpress" aus dem Hause Axel Springer weiß es ein bisschen besser, schreibt angesichts der WHYTE SEEDS von "Garage" und erklärt die Schweden zur derzeit besten Garagenband.
Jaaaaa, kann man machen, wenn man sonst keine andere kennt zum Beispiel. Ach, was rege ich mich eigentlich auf? Aber ich hasse diese Hypes einfach. Doch zu den WHYTE SEEDS: "Memories Of Enemies" ist das Debüt der Schweden, deren vorangegangene EP von Kalle Gustafsson (THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES) produziert wurde, was schon ziemlich deutlich die Richtung vorgibt: Jungs, erstklassige Vorbilder habt ihr euch da ausgesucht, und gegenüber denen den Vorteil, dass ihr alle ein gutes Stück jünger seid und besser ausseht, hehe.
Und wenn wir schon in Schweden sind: Auch die NOMADS müssen hier erwähnt werden, sind sie doch die Band, ohne die weder HIVES noch HELLACOPTERS möglich gewesen wären. Ansonsten sind die WHYTE SEEDS eine erstaunlich gut funktionierende Retro-Rockband, mit allem, was man so braucht, um die Herzen der Jungen und Mädchen zu gewinnen: dezente Orgeltöne, das Wissen um das Geheimnis des klassischen (Power-)Popsongs, ein Gespür für kernige Rockriffs, die richtige Rock'n'Roll-Attitüde und lässiges Posertum.
Das funktioniert, "Memories ..." ist ein wirklich schönes, unbeschwertes Album, nur auch beim besten Willen kein epochales Meisterwerk. Für sowas bitteschön sind dann die großen Brüder von TSOOL zuständig, die gefälligst mal wieder ein neues Album rausbringen sollten.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Joachim Hiller