Der Samuraifilm (auch Chambara genannt) dürfte ähnlich untrennbar mit dem japanischen Filmschaffen verknüpft sein wie der Yakuza-Film. Unzählige Filme dieser Art entstanden seit den 50ern in Japan, sehr oft von renommierten Regisseuren wie etwa Akira Kurosawa gedreht, wobei die interessantesten Vertreter immer die waren, denen es gelang Genrekonventionen möglichst weit hinter sich zu lassen.
Dazu kann man auf jeden Fall die „Hanzo The Razor“-Trilogie zählen, deren erster Teil, HANZO THE RAZOR: SWORD OF JUSTICE, unlängst bei REM auf DVD in ausgezeichneter Qualität erschien. Basierend auf dem Comic von Kazuo Koike (ebenfalls für „Lady Snowblood“ und „Lone Wolf & Cub“ verantwortlich) gelang Regisseur Kenji Misumi hier eine provokante, exquisit gefilmte Mischung aus grenzwertiger Exploitation und klassischen Chambara-Einflüssen, in dessen Mittelpunkt ein Polizist der Edo-Zeit steht, gespielt von Shintarô Katsu, der sich bisher in der Rolle des blinden Masseurs Zatoichi großer Beliebtheit erfreute und hier kaum wiederzuerkennen ist.
Im ersten Film wird die Figur des Hanzo „The Razor“ Itami erst mal eingeführt, ein unkorrumpierbarer Hüter des Gesetzes, irgendwo zwischen Dirty Harry, James Bond, Johnny Wadd und Shaft, der, wenn es sein muss, auch seine Vorgesetzten kritisiert.
So ehrenhaft seine Motive sind, so unehrenhaft sind oft seine Methoden, denn weiblichen Verdächtigen entlockt er in seinem High-Tech-Haus voller überraschender Waffenverstecke mit einer raffinierten Foltermethode Geständnisse, indem er sie mit seinem übertrainierten, überdimensionierten Penis – den er zwischendurch zur Abhärtung mit einem Hammer bearbeitet – quasi um den Verstand bringt.
Hanzo ist ganz klar das Produkt männlicher Omnipotenzphantasien, wobei man ihm zugute halten muss, dass er gewisse Folterpraktiken erst an sich selbst ausprobiert. Da wir uns in einem japanischen Film der 70er Jahre befinden, wird das alles natürlich nur angedeutet, aber auch so bekommt man einen guten Eindruck von seiner sexuellen Standfestigkeit, auch wenn das alles spektakulärer klingt, als es letztendlich ist.
SWORD OF JUSTICE ist allerdings der schwächste Teil der Reihe, denn es gibt hier noch mehr Penis- als Sword-Play, was auf Dauer etwas ermüdend wirkt, hinzu kommt der episodenhafte Charakter des Films, mit dem man nicht so recht warm wird, weshalb Hanzo Fans von Ogami Itto eventuell etwas enttäuschen könnte.
Dafür sind HANZO THE RAZOR: THE SNARE und HANZO THE RAZOR: WHO’S GOT THE GOLD? umso unterhaltsamer, und es bietet sich vielleicht an zu warten, bis REM hierzulande alle drei Filme veröffentlicht hat, die in direktem Zusammenhang geschaut wesentlich mehr Spaß machen.
Generell dürfte Hanzo aber die mit Abstand bizarrste Figur sein, die das Chambara-Genre hervorgebracht hat, was der schräge Blaxploitation-Soundtrack der Reihe noch untermauert.
Japan 2002, e-m-s
Und auch in diesem Jahrtausend entstehen noch Chambara-Filme, wobei Yôji Yamadas Film TWILIGHT SAMURAI in dieser Hinsicht eher die Entsprechung zu Clint Eastwoods Anti-Western UNFORGIVEN sein dürfte, nämlich ein melancholischer, um größtmöglichen Realismus bemühter Abgesang auf das Genre, der 2004 auch als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert war.
Regisseur Yamada Yoji ist in Japan zwar vor allem für die von 1969 bis 1995 entstandene 48-teilige TORA-SAN-Filmreihe bekannt, macht aber auch mit seinem Samurai-Melodram eine gute Figur, in dem es weniger um Schwerter als um Themen wie Liebe, Familie und die insgesamt harte Lebensrealität während der letzten Phase der Edo-Zeit Mitte/Ende des 19.
Jahrhunderts geht, die den Zusammenbruch der Herrschaft des Shogunats einleitete. Hiroyuki Sanada (aus THE LAST SAMURAI, der seine Karriere in den 70ern und 80ern als Actionstar in Japan begann) spielt Seibei Iguchi, den Samurai der Dämmerung, wie ihn seine Kollegen hinter seinem Rücken nennen, da er nach erledigter Arbeit als Schreiber in einem Vorratslager nicht mehr mit den Jungs einen trinken geht, sondern sich um seine zwei Töchter und seine senile Mutter kümmern muss, denn seine Frau war kürzlich verstorben und deren Beerdigung hat ihn finanziell fast ruiniert.
Seibei Iguchi ist schlichtweg pleite, bastelt nebenher noch Tierkäfige, um sie zu verkaufen und macht einen ziemlich verwahrlosten Eindruck, ist also das genaue Gegenteil von einem glamourösen Krieger.
Denn den Instinkt zum Töten hat er schon lange gegen etwas anderes eingetauscht, und wichtiger als der Ehrencodex eines Samurai ist jetzt die Notwendigkeit, das eigene Überleben zu sichern.
Deshalb gibt es auch nur zwei Kämpfe in Yamada Yojis gut zweistündigen Film, einen davon führt Seibei Iguchi mit einem Holzstock, um die Ehre einer Frau zu verteidigen, die seiner alten Jugendliebe, den anderen, wo er einen in Ungnade gefallenen Samurai töten soll, nur weil man ihm mehr Geld versprochen hat, was die Versorgung seiner Familie erleichtern würde.
Ein subtiler, leiser, aber keinesfalls langweiliger Film, dessen lebendige Charaktere und seine Authentizität eine emotionale Anteilnahme am Geschehen sichern, ohne die TWILIGHT SAMURAI sonst auch nicht funktionieren würde, bis hin zu seinem eher bitteren Ende.
Absolut empfehlenswert, wobei die deutsche DVD leider im Vergleich zur kontrastreichen japanischen ein ziemlich furchtbares, dunkles Matsch-Bild aufweist, was gerade beim finalen Gefecht in einer spärlich beleuchteten Hütte sehr unangenehm auffällt.
Im Fernsehen lief er auch schon zweimal, allerdings irgendwann mitten in der Nacht und in der mal wieder eher mäßigen deutscher Synchronisation.
Südkorea 2005, Rapid Eye Movies
Auch in Korea mag man Schwertkampffilme, wobei sich DUELIST, dessen Handlung man wohl irgendwo im Korea des 18.
Jahrhunderts oder früher ansiedeln muss, mehr an der Überästhetisierung von Filmen wie HERO oder CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON orientiert, als an der oft nüchternen Realität und existentialistischen Stimmung vieler japanischer Chambara-Filme.
Sechs Jahre hat sich Myung-se Lee Zeit gelassen, um einen Nachfolger für seinen ziemlich überbewerteten NOWHERE TO HIDE zu produzieren, dessen schicker Look sich doch ziemlich schnell abnutzte.
DUELIST hat ein ähnliches Problem, denn für gut 100 Minuten besitzt der Film inhaltlich zu wenig Substanz, auch wenn er mir letztendlich mehr Spaß gemacht hat als NOWHERE TO HIDE, da er auf dessen verkniffene Ernsthaftigkeit verzichtet.
DUELIST ist schon so überzogen, dass man fast von einer Parodie sprechen muss, was für die Schwertkämpfe, ebenso wie für die zuckrige Lovestory gilt. Vielleicht hat er sich deshalb auch für die Rolle der Polizistin Namsoon die Darstellerin Ji-won Ha ausgesucht, die hier stark an ihre Tomboy-Rolle in SLAVE LOVE erinnert und ihr wirklich hübsches Gesicht in ähnlicher Form hinter einem extremen, aber amüsanten Grimassenschneiden versteckt.
Die versucht zusammen mit ihrem Kollegen die Geldfälscherei des Verteidigungsministers aufzudecken und verliebt sich dabei in dessen mysteriösen Leibwächter. Mehr Handlung gibt es eigentlich nicht, dafür reiht Myung-se Lee hier ein paar wirklich leckere, geschmackvoll arrangierte Martial Arts-Festplatten aneinander, die förmlich danach schreien, dass man ihnen den Stempel „große Kunst“ aufdrückt.
Eine kleine zeitliche Straffung hätte DUELIST sicher gut getan, aber trotz seiner artifiziellen Oberflächlichkeit funktioniert seine stilistische Extrem-Ästhetik immer noch erstaunlich gut.
Denn diese Form banaler Fantasy wird durch einen Schuss Ironie und Augenzwinkern schon wieder deutlich erträglicher, was mir besser gefällt als der aufgeblähte Edelkitsch von CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON, aber da gehen die Meinungen sicher auseinander.
Die Doppel-DVD von REM mit Bergen an Bonusmaterial und diversen Tonspuren ist auf jeden Fall eine tadellose Angelegenheit
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Thomas Kerpen