„I haven’t killed anybody since 1984. Goddamn his soul to burn for eternity in fucking hell for making me get my hands dirty. Go over to this comedian’s son’s apartment, come back with something that tells me where that asshole went, so I can wipe this egg off my face and finish this fucked-up family for good.“, meint ein sichtlich aufgebrachter Vincent Coccotti (Christopher Walken) irgendwann in Tony Scotts TRUE ROMANCE, nachdem er einem gewissen Clifford Worley unschön das Lebenslicht ausgeblasen hat.
Dieser Mafiosi-Scherge sizilianischer Abstammung hat aber auch allen Grund sauer zu sein, hat ihm der von Dennis Hopper gespielte Worley kurz zuvor ein bisschen Geschichtsnachhilfe verpasst und behauptet, alle Sizilianer hätten Niggerblut in sich, weil vor hunderten von Jahren die Mauren bekanntlich Sizilien erobert hätten – „They did so much fuckin’ with Sicilian women, huh? That they changed the whole bloodline forever.“, und die Mauren waren nun mal Nigger.
So was sagt man einem Sizilianer besser mal nicht, zumal der eh schon nicht gut auf Worley zu sprechen ist, da dessen Sohn Clarence einem durchgeknallten, inzwischen toten Zuhälter namens Drexl nicht nur das Callgirl Alabama ausgespannt, sondern ihm auch noch einen Koffer voller Koks entwendet hatte, was sich insgesamt sehr schön auf die folgende Formel reduzieren lässt: „Boy meets girl, boy kills girl’s pimp, couple takes pimp’s coke, and bad boys chase couple.
And Elvis is their Guardian Angel ...“ Basis für TRUE ROMANCE war das erste Drehbuch von Quentin Tarantino, das der damals aber preisgünstig verkaufen musste, um das Geld für RESERVOIR DOGS zusammen zu bekommen.
Ein großer Fan von Scotts Film war Tarantino dementsprechend nie, denn sein Script wurde drastisch verändert. Vor allem die aus RESERVOIR DOGS und PULP FICTION bekannte nonlineare Erzählweise wurde verworfen, ebenso wie das deutlich düsterere Ende, das Scott allerdings sogar drehte, aber einem wesentlich passenderen Happy End den Vorzug gab.
Und vielleicht wäre TRUE ROMANCE unter der Regie von Tarantino ja auch ein ähnliches Meisterstück geworden wie RESERVOIR DOGS und PULP FICTION. Einen Versuch gab es sogar in Form des Tarantino-Studentenfilms MY BEST FRIEND’S BIRTHDAY von 1987, der nur noch als 30-minütiges Fragment in äußerst schlechter Qualität existiert, die andere Hälfte fiel einem Feuer zum Opfer.
Das ändert aber nichts daran, dass Scott hier einer meiner liebsten Filme der 90er gelungen ist, und vor allem einer seiner insgesamt besten. Ein verdammt wildes und für einen Liebesfilm erstaunlich brutales Roadmovie, voller Selbstironie und der ganzen popkulturellen Verweise, die man auch aus Tarantinos eigenen Filmen kennt.
Seine Hauptfigur arbeitet in einem Comicladen, ist natürlich ein Film- und Comic-Nerd wie Tarantino und besucht deshalb auch direkt zu Beginn eine STREET FIGHTER-Filmnacht, deren Hauptdarsteller Sonny Chiba ist, der später dann als Schwertschmied einen Auftritt in KILL BILL haben sollte.
Und auf einem Fernseher sieht man auch noch ein paar Bilder aus John Woos A BETTER TOMORROW 2. Das inszeniert Scott auf seine typische knallbunte, rasante Videoclip-Art und hat neben Hopper und Walken mit Christian Slater, Patricia Arquette oder Gary Oldman auch Darsteller an der Hand, die diese Comic-Charaktere wirklich zum Leben erwecken.
Nach einigen höchst dürftigen Veröffentlichungen im deutschen Raum ist jetzt eine längst überfällige, würdige DVD des Films erschienen, ungeschnitten, endlich auch mal mit der Originaltonspur und versehen mit reichhaltigen Extras.
Darunter separate Audiokommentare von Scott, Tarantino und Slater zusammen mit Arquette, wobei die elf deleted Scenes und das alternative Ende besonders interessant sein dürften. Absolute Kaufempfehlung, zumal der Film aufgrund seiner ruppigen Gewaltszenen im Fernsehen höchstens mitten in der Nacht ungeschnitten läuft, ansonsten gibt es eigentlich nur die extrem verstümmelte 16er-Fassung zu sehen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Thomas Kerpen