TRUE GRIT - DER MARSHAL

2010 war für mich der am meisten überschätzteste Film TRUE GRIT von den Coen-Brüdern, der überall penetrant abgefeiert wurde, aber bei dem man sich nicht ganz entscheiden konnte, was er jetzt eigentlich genau sein sollte: Ein Remake von Henry Hathaways Film oder eine werkgetreue Verfilmung des Romans von Charles Portis? Aber wer hatte schon tatsächlich das Buch „Die mutige Mattie“ (eigentlich müsste es ja „Echter Schneid“ heißen) gelesen, das hierzulande 1969 veröffentlicht wurde? Wenn überhaupt kennt man Portis’ Geschichte durch den Hathaway-Film, in dem John Wayne den versoffenen Marshall Rooster Cogburn spielt, den die frühreife Mattie Ross damit beauftragt, den Mörder ihres Vaters zur Strecke zu bringen, da ihr die Behörden bei der Suche nach dem Mörder nicht helfen wollen.

Dabei begleitet sie ein wichtigtuerischer Texas Ranger namens La Boeuf, der allerdings selbst das Kopfgeld kassieren will. DER MARSHAL war handlungstechnisch sicherlich nicht der beste Western aller Zeiten, eher ein dialoglastiger, ironischer Abgesang auf das Genre, in dem Wayne mit Augenklappe die alten stereotypen Westernhelden vom Sockel stieß – sicherlich auch als Reaktion auf den noch kompromissloseren Italowestern dieser Zeit –, was ihm in Don Siegels DER LETZTE SCHARFSCHÜTZE, seinem letzten Film, allerdings noch überzeugender gelang.

Ansonsten lebt DER MARSHAL weniger von bleihaltigen Auseinandersetzungen als den heftigen Wortgefechten zwischen der jungen Mattie und dem einäugigen, raubeinigen Säufer, bei denen ebenfalls scharf geschossen wurde, wobei natürlich auch bei Cogburn irgendwann seine mitfühlende menschliche Seite zum Vorschein kam.

In Nebenrollen durfte man noch einen exzellenten Robert Duvall bewundern, neben einem jungen Dennis Hopper. Und was haben die Coens dem entgegenzusetzen? Erst mal lassen sie den wundervoll stimmungsvollen Prolog des Hathaway-Films weg beziehungsweise präsentieren eine Sparversion davon, damit der Zuschauer überhaupt etwas von der Vorgeschichte mitbekommt.

Insgesamt entpuppt sich der Film der Coens dann als Mischung aus Szenen, die deutlich an das Original angelehnt sind, ergänzt um neue, die offenbar aus Portis’ Buch stammen, allerdings die Geschichte nicht wirklich weiterbringen.

Also eine Art verschlimmbesserte Kopie eines wesentlich besseren Films. Dazu muss man nur die in beiden Versionen vorkommende Szene zu Beginn vergleichen, als Mattie versucht, dem Pferdehändler, mit dem auch ihr Vater zu tun hatte, die nach dessen Tod bedeutungslose Pferdeherde wieder zurück zu verkaufen.

Bei Hathaway ist man ziemlich beeindruckt von ihrer Cleverness, bei den Coens bleibt man angesichts des eher unsinnigen Dialogs verwirrt zurück. Kim Darby, der tollen Darstellerin von Mattie, warfen einige Kritiker damals vor, zu altklug, geschwätzig und vorlaut zu sein, aber letztendlich machte das gerade den Reiz ihrer ungewöhnlichen Tomboy-Rolle aus.

Die Coens bieten uns dagegen einen makellos aussehenden Teenager namens Hailee Steinfeld, den ich mir vielleicht in einem LOLITA-Remake hätte gefallen lassen. Aber auch Jeff Bridges, ein ansonsten toller Darsteller, kann als Rooster Cogburn nicht wirklich überzeugen und brabbelt die ganze Zeit unverständliches Zeug in seinen Rauschebart, eine Mischung aus dem Dude in THE BIG LEBOWSKI und seiner Rolle in TIDELAND, und da war er überwiegend tot.

Und ganz zu schweigen von der üblichen Null-Performance von Matt Damon. Nein, der Film der Coens ist weder ein gutes Remake, noch ein guter moderner Western, da ist man etwa mit Clint Eastwoods ERBARMUNGSLOS besser beraten.

Wayne hatte damals für seine Rolle durchaus verdient einen Oscar bekommen – die er dann 1975 in MIT DYNAMIT UND FROMMEN SPRÜCHEN noch mal spielen durfte –, die Coens gingen sehr zu meiner Genugtuung bei der Oscar-Verleihung komplett leer aus.

Im Zuge des Remakes ist auch Hathaways Klassiker nun die Ehre einer qualitativ wirklich lohnenswerten Blu-ray-Veröffentlichung zuteil geworden, mit neuem Zusatzmaterial wie dem Audiokommentar dreier Filmhistoriker.