Es gibt Regisseure, die hakt man für sich persönlich einfach irgendwann ab. So ein Fall war auch lange David Cronenberg, der nach DEAD RINGERS von 1988 nur noch höchst mittelmäßige Ware abgeliefert hat, was sich erst 2002 mit SPIDER wieder etwas besserte, richtig überzeugend war auch der nicht.
Mit A HISTORY OF VIOLENCE gelang Cronenberg 2005 aber dann tatsächlich mal wieder ein richtig guter Film, nicht unbedingt einer, der für ihn typisch wäre - die einzige diesbezügliche Szene entfernte er selbst wieder aus dem fertigen Film -, der aber überraschend brutal war, was ja durchaus mal ein Markenzeichen des Kanadiers war, bedingt durch frühere Arbeiten wie SCANNERS, THE BROOD und VIDEODROME.
Eher zufällig kreist auch EASTERN PROMISES um ein ähnliches Thema wie A HISTORY OF VIOLENCE, eine ungeschönte Darstellung der Gangsterwelt, in dem erneut Viggo Mortensen die Hauptrolle spielt, neben Naomi Watts, Vincent Cassel und Armin Mueller-Stahl.
Das Ganze spielt allerdings in London im Umfeld der russischen Mafia, mit der eine Krankenschwester konfrontiert wird, als sie in Besitz eines Tagebuches kommt, das einem jungen Mädchen gehörte, das nach der Geburt ihres Kindes im Krankenhaus verstarb.
Als sie versucht, Familienangehörige des Mädchens ausfindig zu machen, stößt sie auf den zwielichtigen Semyon (unglaublich diabolisch von Mueller-Stahl gespielt), eigentlich ein netter älterer Herr mit großem Familiensinn, der ein Restaurant als Fassade für seine kriminellen Machenschaften nutzt, und dessen von Mortensen gespielten Handlanger Nikolai Luzhin ("He is no driver, he is the undertaker"), die in dem Tagebuch unangenehme Enthüllungen über sich vermuten.
In Folge wird EASTERN PROMISES zu einer Art "Die Schöne und das Biest" beziehungsweise "Die Schöne und die Biester", denn sie sieht sich immer bedrohlicher werdenden Bemühungen der beiden Mafiosi ausgesetzt, um das Tagebuch in ihren Besitz zu bekommen.
Hinsichtlich seiner psychologischen Intensität und vor allem Brutalität ist EASTERN PROMISES ähnlich gelungen A HISTORY OF VIOLENCE, und wartet auch mit einem ähnlich überraschenden versöhnlichen Ende auf - das betrifft vor allem Mortensens Rolle -, das nicht unbedingt eine Enttäuschung ist, aber die vorherige düstere Stimmung etwas abmildert.
Wirklich schön, dass Cronenberg nach Jahren des kreativen Siechtums noch zwei so starke Filme hintereinander zustande gebracht hat, die auch ähnlich wie seine früheren Arbeiten durchaus spektakuläre, grafische Szenen vorweisen können.
In diesem Fall der Kampf des völlig unbekleideten Viggo Mortensen gegen zwei auf ihn angesetzte Killer in einem Waschhaus, dessen schmerzhafter Realismus niemanden kalt lassen dürfte - das ist nicht die weichgespülte Comic-Gewalt irgendwelcher Blockbuster.
Sicher einer der sehenswertesten Filme des letzten Jahres, wobei sich die Ausstattung der DVD weniger spektakulär gestaltet.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Thomas Kerpen