Ein Rerelease? Jein ... Typischerweise ist ja zu Recht Vorsicht angesagt, wenn Bands alte Songs und Platten neu aufnehmen. In den allermeisten Fällen hat das damit was zu tun, dass ein Label die Rechte daran hat, man im Streit auseinanderging und aus finanziellen Gründen nun den Schritt der Neueinspielung ging. Für Fans ist das aber quasi nie ein Vergnügen. Im Falle von TINTORETTO verhält sich das anders. Die nur von 1998 bis 2000 aktive Band (damals ein Nebenprojekt von MANAGRA) bestand aus William Zientara (gt, voc), Shane Hochstetler (dr), Bill Kutsch (bs) und Mike Batzler (gt, voc) und war schwer beeinflusst vom komplexen Post-Hardcore, der in den 1990ern auf Labels wie Dischord und Touch & Go veröffentlicht wurde – sie selbst nennen unter anderem HOOVER, SLINT, JUNE OF 44 und THE CROWNHATE RUIN als Referenz. Eine EP und ein paar Songs auf einer Compilation waren seinerzeit die einzigen Releases von TINTORETTO, die bald schon wieder Geschichte waren. Fast forward zwanzig Jahre: Justin Nardy von Expert Work Records fragt die früheren Mitglieder, die in verschiedenen Bands dem Musikmachen treu geblieben sind beziehungsweise im Falle von Shane ein Studio betreiben, nach der Möglichkeit eines Rereleases. Gesagt ... aber anders getan: Die vier Ex-Tintorettos entscheiden sich dafür, die acht Songs von damals neu aufzunehmen, und das Ergebnis ist ... interessant: diese Art von latent verkopftem, komplexem Post-Hardcore macht heute ja niemand mehr, die Aufnahmetechnik war damals auch nicht immer die beste, und so ist ist die Reproduktion der damaligen Songs in der Jetztzeit durchaus ein Vergnügen. TINTORETTO schaffen es, den damaligen immer irgendwie resigniert und zaghaft wirkenden Sound ihrer (und jener) Bands in die Gegenwart zu transportieren.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Joachim Hiller