Tijan Sila wuchs in den Achtzigern und Neunzigern in Sarajevo, Bosnien auf und erlebte dort den Bürgerkrieg, bis er 1994 mit seinen Eltern nach Deutschland flüchtete. Er beschreibt den für ihn wichtigsten Charakterzug eines „normalen Bosniers“ als „irreparabel unglücklich und extrem gut gelaunt“.
Das ist dann auch der rote Faden seines Debütromans. Eine turbulente Story, kosmisch und verstörend zugleich, erzählt das Coming of Age eines in die deutsche Provinz Geflüchteten. Sarajevo in den Neunzigern: Die Stadt liegt abwechselnd unter Beschuss oder dümpelt in einem fragilen Waffenstillstand dahin.
Sila schildert das Leben seiner Familie und der Viertelbewohner detailreich und fast liebevoll. Das Tauschen von Comics und die Parallelwelt der Videospiele, oft gestört durch längeren Stromausfall, lässt die Kinder den Irrsinn um sie herum vergessen.
Sie stehlen Sexheftchen auf Flohmärkten, um sie gegen Lunchpakete der US-Soldaten zu tauschen, oder spielen Basketball gegen diese. Das Leben ist gefährlich, aber niemals langweilig. Die Eltern beschließen trotz eigentlich guter Prognosen für die Zeit nach dem Krieg, nach Deutschland zu flüchten.
Obwohl der Sohn lieber bleiben würde. Die Flucht, zuletzt dann in einem Autobus, ist geprägt vom Warten, der Angst und der Unmenschlichkeit der korrupten Grenzbeamten. Die Familie erreicht Rheinland-Pfalz und der Junge findet neue Freunde, die seltsamerweise Neonazis sind oder zur Polizei wollen, oder auch beides.
Mit Schulfreundin Sarah stemmt er Gewichte und sammelt erste erotische Erfahrungen. Sie begegnet ihm Jahre später als Polizistin wieder und nimmt für ihn Rache, als ein Neonazi ihn bei einem Liebesabenteuer nachts aus dem Bett prügelt.
Sie weckt dadurch die Gespenster seiner traumatischen Vergangenheit.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #131 April/Mai 2017 und Jürgen Schattner