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THIS IS LOVE

Mit DER FREIE WILLE hatte Matthias Glasner sicher einen der besten deutschen Filme der letzten Jahre gedreht, der neben Fatih Akins GEGEN DIE WAND an emotionaler Wucht kaum zu übertreffen war. Ging es in DER FREIE WILLE um einen Sexualstraftäter, der nach einem Knastaufenthalt versucht, ein normales Leben zu führen und dabei tragisch scheitert, ist THIS IS LOVE trotz des Titels ein nicht minder deprimierender Film geworden, in dem zwei unterschiedliche Schicksale miteinander verwoben sind.

Zum einen das von Jens Albinus (ein dänischer Darsteller, der u.a. in zwei Lars von Trier-Filmen zu sehen war) in der Rolle des Chris, der die 9-jährige Jenjira zusammen mit seinem Kumpel Holger (Jürgen Vogel) aus einem Bordell in Saigon rettet und nach Deutschland bringt – offenbar tun die beiden so was nicht zum ersten Mal.

Der steht damit aber plötzlich vor extremen Problemen, als er keine passenden Adoptiveltern findet, die ihm das Mädchen gegen eine größere Summe „abkaufen“, wodurch er ihren ehemaligen Zuhälter nicht bezahlen kann.

Nach einem Autounfall, offenbar ein Selbstmordversuch, landet Chris dann in einem unwirtlichen Verhörzimmer, wo er auf die Polizistin Maggie trifft (eine wie so oft grandiose Corinna Harfouch).

Eine Frau mit schwerem Alkoholproblem und psychisch labil, die nie darüber hinweggekommen ist, dass ihr Mann von einem Tag auf den anderen verschwunden ist und sie mit der Tochter hat sitzenlassen.

Zwei gebrochene, selbstzerstörerische Individuen, die in ähnlicher Weise den Glauben an die Liebe verloren haben, wobei das Problem von Chris eher darin besteht, dass seine Liebe nicht gesellschaftskonform ist.

Während Maggie nun auf drastische Weise herauszufinden versucht, was Chris zu dieser Tat getrieben hat und wo das Mädchen abgeblieben ist, von dem er ständig redet, bekommt der Zuschauer häppchenweise die Hintergründe der niederschmetternden Geschichte geliefert.

Nach DER FREIE WILLE packt Glasner auch mit THIS IS LOVE in zwischenmenschlicher Hinsicht wieder einige heiße Eisen an, wobei das größte Provokationspotential darin steckt, wie er sich den Themen Kinderprostitution und Pädophilie annähert.

Letzteres kann man Chris gar nicht mal unbedingt vorwerfen, da seine Liebe zu der Neunjährigen viel unschuldigeren Ursprungs ist und erst mal nichts mit sexuellen Vorlieben zu tun hat, aber sich eben nicht mit seiner eigentlichen Lebensrealität vereinbaren lässt.

Im Gegensatz zum naturalistischen Look von DER FREIE WILLE arbeitet Glasner diesmal mit sehr stylishen, stark nachbearbeiteten Bildern und einem voluminösen Orchesterscore, der sich wie ein schweres Tuch über den Film legt und auf interessante Weise die Dramatik und den Pathos der schwierigen, nicht linear erzählten Geschichte betont.

Nicht alles ist vollkommen plausibel, was Glasner dem Zuschauer hier als Erklärungsversuche anbietet, und auch seine Figuren bleiben höchst zwiespältige Wesen, deren Handeln sich nicht immer nachvollziehen lässt.

THIS IS LOVE leidet sicherlich an seiner leicht überkonstruierten Form, was viele Leute abstoßen und verstören wird. Auf der anderen Seite muss man Glasners Mut anerkennen, einen Film gedreht zu haben, der in emotionaler Hinsicht Grenzen überschreitet und doch immer zutiefst menschlich bleibt.

Oder um es einmal etwas platt auszudrücken, THIS IS LOVE packt einen an den Eiern und lässt einen über knapp zwei Stunden nicht mehr los, dementsprechend fühlt man sich auch danach. Und das kann man von nur wenigen Filmen der letzten Jahre behaupten, die alle viel zu sehr damit beschäftigt sind, es dem Publikum so recht wie möglich zu machen.

Ein zu hoher Anspruch macht einen immer angreifbar für Kritik von berufener intellektueller Seite, vor allem, wenn das Weltbild dieser Herrschaften damit erschüttert wird und sie nicht damit klar kommen, dass die Abgrenzung zwischen Täter und Opfer eben nicht immer eindeutig ist.

Denn beide Seiten verdienen sehr wohl Verständnis und Mitgefühl, selbst wenn es schwer fällt. Lebendiger als THIS IS LOVE kann ein Film kaum sein. Und da das Leben nun mal leider sehr widersprüchlich ist, besteht auch Glasners erneutes Meisterwerk aus extremen emotionalen Brüchen und seelischen Extremzuständen, die man in dieser Radikalität viel zu selten im Kino sieht, und macht ihn zu einem echten, bedeutsamen, aber eben auch schwer verdaulichen Erlebnis, das man nicht so schnell wieder vergisst.

Die bereits seit Ende Mai erhältliche DVD wartet noch mit einem Audiokommentar und einem Interview mit Glasner und 40 Minuten deleted Scenes auf.