Am Fall von Tobe Hoopers „Blutgericht in Texas“ (so der deutsche Kinotitel, auf Video hieß er dann „Kettensägenmassaker“) kann man wunderbar den Irrsinn des deutschen Jugendschutzes exemplarisch abarbeiten.
„Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es im Grundgesetz, spricht man Horrorfans auf diesen Satz an, dürfte man mit heftigem Protest rechnen können. Denn in Deutschland gibt es eine höchst bizarre Verzahnung unterschiedlicher Institutionen, die es für einen Verleiher fast unmöglich macht, einen Film vernünftig kommerziell auszuwerten, wenn dabei der Verdacht eventueller Gewaltverherrlichung im Raum steht, vor allem momentan, wo durch Filme wie „Saw“ und die zahlreichen Fortsetzungen auch im Mainstreamkino eine ganz neue Qualität von Gewaltdarstellungen zu bewundern ist, gegen die viele Splatterfilme der späten Siebziger und frühen Achtziger inzwischen reichlich antiquiert wirken.
Sind diese Filme dann einmal von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert worden, können sie erst nach 25 Jahren aufgrund von Verjährung wieder vom Index gestrichen werden, nach 10 Jahren kann allerdings schon eine Streichung beantragt werden.
So hätte es eigentlich auch „Blutgericht in Texas“ ergehen können, denn sieht man mal von dem reißerischen Titel ab, dürfte Hoopers zweiter Spielfilm eine der größten Enttäuschungen der Splatter-Ära sein, da von dem Massaker des Originaltitels so gut wie nichts zu sehen ist.
Was „Blutgericht in Texas“ allerdings nach wie vor so anrüchig macht, ist sein enervierender Terrorgrad und die entartete Grundatmosphäre, als eine Gruppe junger Leute zum Opfer einer Kannibalenfamilie wird, für die ähnlich wie in „Psycho“ Ed Gein Pate stand.
Was Hoopers Film ähnlich wie „Psycho“ zu so einem Meilenstein und Wegbereiter des modernen Horrorfilms macht, ist, dass das Monster hier nicht mehr im Wandschrank zu finden ist, sondern direkt aus der Mitte der Gesellschaft kommt.
Mit einem gewissen Abstand betrachtet, würde man „Blutgericht in Texas“ sogar inzwischen schwarzhumorige Tendenzen unterstellen, denn wenn Lederfratze die Jungfrau in Not mit dem Phallussymbol Kettensäge in der Hand durch den Wald hetzt, wirkt das mehr wie ein Cartoon von Tex Avery.
Dieser Meinung sind wohl auch heutige Richter und Staatsanwälte, die sich selbst etwas wundern, was ihre Kollegen vom Landgericht München damals geritten hatte, die Videokassette von „Blutgericht in Texas“ 1985 zu beschlagnahmen.
Übrigens ist es nicht so, dass „Blutgericht in Texas“ in Deutschland nicht auf DVD erhältlich wäre, nur fehlten da eben bisher gut zehn Minuten. Mit welchen Widerständen der aktuelle Rechteinhaber Turbine zu kämpfen hatte, um die jetzt vorliegende ungeschnittene DVD in Deutschland zu veröffentlichen, wird auch noch mal schön in einer dort als Bonus enthaltenen, zweistündigen Diskussionsrunde mit Jörg Buttgereit, Dr.
Roland Seim, Dr. Stefan Höltgen und Turbine-Mitarbeiter Christian Bartsch aufgedröselt. Denn ist ein Film erst einmal das Objekt der Begierde von deutschen Richtern und Staatsanwälten geworden, wird es fast unmöglich, diesen überhaupt noch mal hierzulande kommerziell auszuwerten.
Insofern muss man an dieser Stelle den Hut ziehen vor der Beharrlichkeit und dem langen finanziellen Atem von Turbine und kann nur hoffen, dass ihnen außer Ehre auch etwas Gewinn für diesen Kraftakt zuteil wird, denn nur wenige Verleiher besitzen den Mumm für so etwas.
Sieht man mal von der Tatsache ab, dass „Blutgericht in Texas“ jetzt in der ungeschnittenen, nicht mehr indizierten und beschlagnahmten und mit einer „ab 18“ FSK-Freigabe versehenen Version bis zum jüngsten Tag vor verpeilten Jugendschützern und Pädagogen sicher ist, ist auch die DVD selbst ein echtes Schmuckstück geworden.
Neben einer hochauflösenden, sehr gelungenen Fassung des Films auf Blu-Ray, ebenso wie auf normaler DVD – inklusive zweier Audiokommentare –, gibt es auch noch zwei weitere Discs mit der schon angesprochenen Expertenrunde und den Dokumentationen „The Shocking Truth“ und „A Family Portrait“ über die Hintergründe des Kettensägenmassakers, neben anderem Bonusmaterial und einem 64-seitigen Büchlein zur Zensurgeschichte dieses Horror-Klassikers.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Thomas Kerpen