John Woos THE KILLER dürfte der mit Abstand bekannteste kantonesische Actionfilm sein, ebenso wie eines der absoluten Highlights in der Karriere dieses Mannes, der in meinen Augen später in Hollywood von Film zu Film seine Credibility komplett verspielte.
In seinem Genre ist THE KILLER sicher ein Meisterwerk, wer allerdings generell nichts mit Ballerfilmen anfangen kann, wird auch Woos völlig überästhetisiertes, blutiges Blei-Ballett kaum goutieren können.
So wie offenbar auch die Herren von der FSK, die dem Film nach wie vor ihr Siegel verwehren, weshalb mal wieder die unabhängige Juristenkommission der Filmwirtschaft dem Film die strafrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigen musste.
Zumindest ist der Film dadurch ungeschnitten, alles andere wäre auch ein echter Frevel. Außerdem handelt es sich hier auch um eine der schauspielerischen Glanzleistungen Chow Yun-Fats, der hier einen desillusionierten Auftragskiller spielt, der bei seinem vermeintlich letzten Job eine Nachtklubsängerin (Sally Yeh, die auch das fantastisch kitschige Titelthema singt) blendet – er muss direkt an ihren Augen vorbei einen Schuss abfeuern – und in Folge versucht, seine Schuld wieder irgendwie gutzumachen.
Auf seinen Fersen dabei ein Cop – Danny Lee, den man an der Seite Chow Yun-Fats zwei Jahre zuvor in Ringo Lams CITY ON FIRE in umgekehrten Rollen sehen konnte –, die sich schließlich miteinander verbünden, als ein ehemaliger Kunde des Killers diesen zum Schweigen bringen will und ihm die halbe Unterwelt Hong Kongs auf den Hals hetzt.
Wodurch THE KILLER in einem wahnwitzigen finalen Feuergefecht in einer Kirche gipfelt. Eine romantisierte Gewaltorgie, in der Woo diese extreme Männerfreundschaft so ins Extrem treibt, dass uns ein US-Remake bisher erspart geblieben ist, denn das wäre dann quasi die Gangsterversion von BROKEBACK MOUNTAIN geworden.
Diese Mixtur aus überzogener Melodramatik und unterschwelligen homoerotischen Tendenzen funktioniert offenbar nur in einem Hong Kong-Film vernünftig, vielleicht auch ein Grund dafür, warum Woos US-Filme überwiegend wie seelenlose Produkte eines unbeteiligten, handwerklich talentierten Auftragsregisseurs wirken.
Die aktuelle deutsche DVD präsentiert den Film befreit von Fuseln und anderem Dreck im Bild, wie man es von bisherigen Fassungen gewohnt war, was das Vergnügen beim Ansehen von THE KILLER noch mal steigert.
Ein Klassiker des modernen Actionkinos, den man aber um Gottes willen nicht in der deutschen Synchronisation schauen sollte, die mal wieder ein echter Atmosphärekiller ist. Ebenfalls auf der DVD sind auch sechs deleted Scenes enthalten, die aus der 141-minütigen Taiwanesischen Version des Films stammen, bei der es sich aber wohl nicht um Woos bevorzugte Schnittfassung handelt.
USA 1998, Sony Pictures
Einige Jahre nach Woo folgte auch Chow Yun-Fat dem Ruf Hollywoods und gab mit Antoine Fuquas THE REPLACEMENT KILLERS sein Schauspieldebüt in einem amerikanischen Film.
Seine Kenntnisse der englischen Sprache waren zu dieser Zeit wohl noch etwas rudimentär; das machte aber nichts, denn hier wurde ja eh mehr geballert als geredet. Executive Producer waren John Woo und dessen langjähriger Freund und Produzent Terence Chang, die hier komischerweise das zustande brachten, was bei Woos eigenen Filmen nie so recht geklappt hatte, nämlich eine amerikanisierte Version eines typischen Hong Kong-Actionfilms.
Und vielleicht hatte ich auch deshalb immer eine Schwäche für Fuquas überstilisierte Abfolge von mitreißenden Actionsszenen, denn die Inhaltsleere des Films wurde gut durch seinen stylischen Look wettgemacht, was man in dieser Form auch erst mal hinbekommen muss.
Dazu kommt natürlich auch die Ikonizität Chow Yun-Fats, der hier in gewisser Weise seine Rolle aus THE KILLER wiederholt, ein Auftragskiller auf der Flucht vor seinen ehemaligen Arbeitgebern.
Und damit gar nicht erst ein Hauch von Homoerotik aufkam, stellte man Chow Yun-Fat Mira Sorvino zur Seite, die als toughe Fälscherin zwar nicht immer glaubwürdig ist, aber schon irgendwie verdammt süß.
Und bei Michael Rooker, der Danny Lees Rolle innehat, wurde überdeutlich gezeigt, dass der Frau und Kind hat, damit man erst gar nicht auf falsche Gedanken kam. Jürgen Prochnow als Bösewicht lässt man sich dann auch noch gefallen, aber Til Schweiger wäre echt nicht nötig gewesen, der offenbar schon überfordert ist, gleichbleibend finster in die Kamera zu schauen.
Normalerweise stehe ich ja nicht auf so eine Action-Nummernrevue, aber THE REPLACEMENT KILLERS hat irgendwie Charme und sei es nur wegen Chow Yun-Fat. Umso bedauerlicher ist, dass Fuqua nach dem hervorragenden TRAINING DAY von 2001 im Anschluss nur noch so Grütze wie KING ARTHUR oder TEARS OF THE SUN zustande gebracht hat.
Die neue DVD von THE REPLACEMENT KILLERS ist einige Minuten länger (ausschließlich Handlungserweiterungen, keine Action), was eigentlich bezüglich der Entwicklung der Charaktere ganz schön ist, wo sich aber für Leute, die den Film bereits besitzen, die Frage stellt, ob man dafür noch mal Geld ausgeben will.
Und da ja inzwischen von jedem zweiten Film alle paar Monate eine noch längere Fassung rauskommt (oder sogar eine kürzere), reagiert man auf diese Thematik inzwischen doch etwas genervt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Thomas Kerpen