Mit "The Day The Country Died" verfasste Ian Glasper das Standardwerk zum politisch engagierten englischen Punkrock der ersten Hälfte der Achtziger, der auch heute noch durch seine bekanntesten Protagonisten CRASS und CONFLICT (sowie die zur Popband gewandelten CHUMBAWAMBA) in Erinnerung ist.
Roy Wallace, der damals auch selbst in Belfast in einer Band spielte (TOXIC WASTE) nahm Glaspers Buch zum Anlass, eine neunzigminütige Dokumentation zusammenzustellen, die - das gesteht er im Vorspann offen ein - natürlich nur ausschnittsweise die Geschichte jener "Bewegung" dokumentiert, die nicht einverstanden war mit Thatcherismus, Arbeitslosigkeit, entfremdeter Arbeit, Ausbeutung der Dritten Welt, Umweltzerstörung, Tierversuchen, Kriegshetze, religiösem Fundamentalismus, Sexismus und Rassismus.
Bis zum Aufkommen dieser vorzugsweise mit Schwarz-Weiß-Optik arbeitenden Punk-Spielart war Punkrock ja nicht zwangsläufig politisch gewesen, hier lag der Schwerpunkt aber auf genau jenem Engagement sowie dem Prinzip des "Mach es selbst", D.I.Y.
Die Musik wurde härter und schärfer, die Repression des Staates auch, doch weitete sich der "Flächenbrand" in die ganze westliche Welt aus - und viele Themen, die bis heute in Punk und Hardcore textlich von Belang sind, gehen auf jene Zeit zurück.
Wallace hat nun aus Interviews, historischen Aufnahmen, Konzertmitschnitten und angefilmten Fotos eine spannende Doku zusammengestellt, die sowohl für Neueinsteiger wie für alte Hasen unterhaltsam wie auch lehrreich ist - wer damals selbst dabei war, sah vieles sicher nicht so reflektiert wie das heute möglich ist, und wer damals noch nicht geboren war, dürfte sich wundern, dass ANTI-FLAG nicht die Erfinder ihrer Slogans und Themen sind.
Dick Lucas von SUBHUMANS (U.K.), CITIZEN FISH etc. spricht die Einleitung, eine scherzhafte Hetztirade, die absolut auf den Punkt bringt, worum es geht, Buchautor Ian Glasper kommt ausgiebig zu Wort, Penny Rimbaud von CRASS (sonnenbadend im Garten des "Crass House"), FLUX OF PINK INDIANS, AMEBIX - viele zerknitterte alte Männer sind zu sehen, doch angesichts des Zustands der Welt ist das Gesagt alles andere als irrelevant oder nostalgisch.
Von daher: Essentiell. (9)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Joachim Hiller