Vielleicht geht es in diesem Buch gar nicht vornehmlich um das, was sich der durchschnittliche Ox-Leser so unter „Soul Music“ vorstellt. Weder werden die zuckersüßen Motown-Produktionen behandelt, noch verschrobene Northern Soul-Sammlerkultur, noch der überproduzierte Kitsch der 70er.
Das Buch stellt vielmehr die aufwendig recherchierte, bisher definitive Erzählung der Geschichte des Southern Soul dar, jenem unverfälschten, rauen, mancher würde sagen „eigentlichen“ Soul.
Besonders angenehm ist dabei der persönliche und gleichzeitig analytische Blickwinkel des Autors. Guralnick kann auf eine lange Verbundenheit mit der Musik und enge Kontakt mit wichtigen Protagonisten zurückgreifen, um packend und anschaulich aus einem hierzulande viel zu oft leichtfertig überblätterten Kapitel der Musikgeschichte zu erzählen.
Gleichzeitig geht darüber nie verloren, was in der Dynamik dieser Tage Soul auch politisch ausmachte. Dabei vermeidet Guralnick glücklich sowohl akademische Beschlagnahme als auch naive Lobhudelei und liefert wichtige Hinweise über das, was in Soul damals wirksam wurde und vielleicht bis heute nachwirkt.
Wer immer (mit einigem Recht) geahnt hatte, dass Soul zu seiner Zeit und in bestimmten Formen nicht weniger revolutionär war als später Punk, der findet in diesem Buch nicht nur den bestmöglichen sachlichen Einstieg in die Materie sondern auch vorzügliche, anekdotenreiche Unterhaltungslektüre.
Die Warnung Elvis Costellos, die dem Buch zu Werbezwecken auf das Backcover gedruckt wurde, ist allerdings ernst zu nehmen: Wer dieses Buch liest, wird in einem Ausmaß Lust bekommen, Platten zu kaufen, das den finanziellen Ruin bedeuten könnte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #86 Oktober/November 2009 und Ferdinand Praxl