Man weiß nie so genau, was man von einer Produktion halten soll, an der MTV beteiligt ist, aber da mit Kimberly Peirce hier die Regisseurin des vielgepriesenen BOYS DON'T CRY involviert war, konnte das Ganze ja kein völliger Reinfall sein.
Wobei amerikanische Filme, die sich mit dem Irak-Krieg und der 9/11-Thematik auseinandersetzen, immer mit Vorsicht zu genießen sind. Der hierzulande wahrscheinlich nicht unbedingt geläufige Begriff "stop-loss" bedeutet übrigens, dass das US-Militär den Vertrag eines Soldaten im Kriegsfalle auf unbestimmte Zeit verlängern kann - und zwar ohne dessen Zustimmung.
Und genau das passiert einigen Kriegsheimkehrern in Peirces persönlich gefärbtem Film, denn ihr jüngerer Bruder meldete sich mit 18 freiwillig zum Militärdienst und war im Irak stationiert.
Zu Beginn gibt es noch einige unschöne Impressionen vom Krieg selbst, die klar machen sollen, dass die beteiligten Soldaten den Dienst fürs Vaterland mittlerweile selbst äußerst kritisch sehen, nachdem ihre Kameraden verstümmelt wurden und sie gezwungen waren, unschuldige Zivilisten zu töten.
Und bevor man sich im beschaulichen Texanischen Städtchen wieder häuslich einrichten kann, wird man schon wieder an die Front gerufen. Während seine Kollegen sich in ihr Schicksal fügen, wird Sgt.
Brandon King (sehr überzeugend gespielt von Ryan Phillippe, dem ich eigentlich gar nichts mehr zugetraut habe) zum Deserteur, der mit der Verlobten eines Kameraden die Flucht ergreift und dem letztendlich nur die Möglichkeit bleibt, das Land zu verlassen.
STOP-LOSS mag vielleicht bezüglich seiner eigentlichen Intention nicht immer wirklich subtil sein, aber er zeigt auf eine sympathische und nahegehende Art den Irak-Krieg aus einer menschlicheren Perspektive, auch wenn man sich natürlich fragen muss, was die Beteiligten überhaupt zu der Entscheidung getrieben hat, für diesen fragwürdigen Unsinn ihr Leben zu riskieren.
Das größte Manko von STOP-LOSS ist, dass er die Soldaten ausschließlich als Opfer darstellt, inklusive aller "kaputter Kriegsveteran"-Klischees, was aber durch die ansonsten ambivalente Charakterisierung der Protagonisten wieder zum Teil ausgeglichen wird, die sehr unterschiedlich mit ihrem Schicksal umgehen beziehungsweise klarkommen.
Eine der gelungensten und beklemmendesten Szenen ist in dieser Hinsicht, als Brandon auf seiner Flucht einen Kameraden mexikanischer Abstammung in einem Militärkrankenhaus besucht, der erblindet ist und ein Bein und einen Arm verloren hat.
Der gibt dabei den denkwürdigen Satz von sich, "I'd go back, 'cause if I got killed my family would get green cards". Bis zu einem gewissen Punkt ist STOP-LOSS der kleine Bruder von Oliver Stones BORN ON THE FOURTH OF JULY, auch wenn er natürlich nicht an dessen breitflächige kulturelle und politische Dimension heranreicht und stattdessen zu sehr in seifenoperhafte Banalität abdriftet.
Dennoch ein sehenswerter, nicht dummer Film, nicht zuletzt aufgrund der überzeugenden Darsteller (neben Phillippe vor allem die Australierin Abbie Cornish und Joseph Gordon-Levitt), der genau die richtigen Fragen zu Themen wie etwa Patriotismus stellt, auch wenn man bezüglich der gelieferten Antworten darauf durchaus anderer Meinung sein kann.
Die seit Ende August erhältliche DVD enthält einen Audiokommentar von Regisseurin Kimberly Peirce und Co-Autor Mark Richard, neben "Making Of" und entfernten Szenen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #80 Oktober/November 2008 und Thomas Kerpen