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SPECTRES

Nostalgia

Als Brian Gustavson (voc) und Steve Hanker (gt, dr) SPECTRES 2004 in Vancouver, Kanada gründeten, waren sie mit ihrer Mission, ausgehend von einer DIY-Punk-Attitüde dem Goth-Punk der Achtziger neues Leben einzuhauchen, noch recht allein auf weiter Flur.

Im Gegensatz zu heute, wo ja jeder behauptet, die Klassiker aus den Achtzigern schon immer gehört und gemocht zu haben, machte man sich damals fast noch verdächtig mit so einer „uncoolen“ Präferenz für „Gruftie“-Klänge.

Seit ein paar Jahren hat sich das massiv verändert, unzählige Musiker aus dem Punk und Hardcore haben sich jenen düsteren, dystopischen, drängenden Sounds zugewandt und reproduzieren sie in meist sehr guter und modernisierter Form.

Als SPECTRES nach Kleinformaten 2010 ihr Debüt „Last Days“ veröffentlichten, war das noch nicht so, Mitgründer Hanker schon wieder raus und Gustavson als einziges Urmitglied verblieben – bis heute ist er die einzige Konstante.

2012 folgte das „Nothing To Nowhere“-Album, 2016 „Utopia“, und nun, nachdem dort Ende 2019 die drei ersten Alben rereleaset worden waren, auf Artoffact „Nostalgia“, das einen unbedingt passenden Titel trägt – wie auch immer der gemeint sein mag, einen Song und damit Text dazu gibt es nicht.

Mag man die Klassiker aus den Achtzigern und ist ein eher limitierter Typ, so vom Kopf her, hört man seine Playlists mit den immer gleichen 200 Songs rauf und runter und ist schlimmer als der Opa, der nur die Schlage der Sechziger und Siebziger kennt und hört.

SPECTRES hingegen leisten es vorbildlich, ein Soundgewand von vor 35 Jahren in die Gegenwart zu holen und leicht modifiziert aktuell zu halten. Die Trademarks sind alle da, aber man macht sich eben nicht des „Verbrechens“ schuldig, nur den alten Kram zu hören.

SPECTRES sind überdies keine „Goten“ mit Karnevalkomplex, sondern stehen zu ihren DIY-Punk-Roots, die gepaart werden mit einem fast schon einschüchternd großen Talent dafür, hymnische Melodien zu schreiben, wie KILLING JOKE es bei ihren beiden Meisterwerken „Night Time“ und „Brighter Than A Thousand Suns“ einst taten.

Deren Schwere haben SPECTRES allerdings nicht, sie haben eher diesen Twang, diese janglige Leichtigkeit, wie sie einst THE SMITHS hatten, und lassen dann ihrer Vorliebe für JOY DIVISION und NEW ORDER ORDER, RED LORRY YELLOW LORRY, THE SNAKE CORPS, SKELETAL FAMILY, CHAMELEONS und PLAY DEAD freien Lauf.

Sehr positiv wirkt sich zudem die Produktion von Jason Corbett von den ebenfalls aus Vancouver stammenden ACTORS aus: klingen andere Neo-Wave-Bands auch mal eher dünn, weil das Studiobudget der Vorbilder aus den Achtzigern einfach nicht da ist, ist hier die nötige Transparenz und Dynamik vorhanden.

Textlich sind SPECTRES eher unkonkret – konkreter als die Zeile „Freedom dreams in the DDR“ („Pictures from occupied Europe“) wird man kaum.