Ich habe mich selber in die Irre führen lassen. In den letzten Jahren war es nicht unüblich, die Ausgaben alter Fanzines aus den 1980er oder 1990er Jahren einzuscannen, zu überarbeiten und in Buchform neu zu präsentieren. Bei dem Buch über das Suspect Device Zine aus England läuft das anders. Ganz anders. Die beiden Macher Tony und Gaz Suspect wurden Mitte der 1960er Jahre in Southampton an der Südküste Englands geboren, gingen, seit sie fünf Jahre alt waren, gemeinsam zur Schule und sind seither immer befreundet geblieben. Seit 1985 machen die beiden durchgehend bis heute das Suspect Device. In „Running at the Edge of their World“ kann man auf 290 Seiten anhand der Erinnerungen der beiden Fanzine-Macher tief in das Zeitgeschehen in England der letzten vier Jahrzehnte eintauchen. Es werden keine Seiten aus den 71 bisher erschienenen Ausgaben des Fanzines im Original reproduziert, sondern ausschließlich Fotos gezeigt, die den Zustand der britischen Gesellschaft illustrieren oder dem direkten Umfeld der Fanzine-Macher zuzuordnen sind. Man folgt den beiden in die UK-Punkrock-Szene Ende der 1970er Jahre, als sie die ersten Konzerte besuchten, und erfährt, was sie schließlich 1985 dazu brachte, ihr eigenes Fanzine zu starten. Man begleitet die beiden sozusagen auf dem Werdegang innerhalb der englischen DIY-Hardcore-Punk-Szene, aber auch im Bereich ihrer persönlichen Entwicklung. Und dieses Kennen- und vor allem Schätzenlernen dehnt sich im Verlauf des Buchs auf die weiteren Jahrzehnte bis heute aus. Das Buch quillt quasi über vor Anekdoten, die dringend erzählt werden wollen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Helge Schreiber