Für alle nach der digitalen Revolution Geborenen dürfte es nur schwer nachvollziehbar sein, wie ein dreizehn-, vierzehnjähriger bekennender Punk beim Anblick eines schlecht geschriebenen und recherchierten Schnipsels über das Punk-Phänomen aus einer Mainstream-Musikzeitschrift in helle Aufregung ausbrechen kann.
Schließlich ist man inzwischen daran gewöhnt, dass jegliche Information schnell und nahezu immer und überall verfügbar ist. Wie langsam sich Jugendkulturen und ihre Erscheinungen vor dieser Zeit in einem Land ohne direkten Zugang zu Primärquellen ausbreiten konnten und welcher Aufwand ein Einzelgänger ohne entsprechende Clique betreiben musste, um sein Wissen auf ein ordentliches Niveau zu hieven, beschreibt Avi Pitchon in seinem autobiografischen Buch „Rotten Johnny and the Queen of Shivers“: stundenlanges Wühlen in Plattenläden, Anzeigen schalten in den gängigen Zeitschriften zwecks direktem Austausch mit Gleichgesinnten, Merchandise-Stände auf Konzerten sichten, Mailorderbestellungen im In- und Ausland inklusive wochenlanges Warten auf Importpakete (die manchmal auch noch mit beschädigtem Inhalt ankamen).
Zwar schreibt Pitchon über Israel, das alles lässt sich aber so gut wie 1:1 auf die deutsche Provinz übertragen. Unglaublich, oder? Im Unterschied zu Deutschland in den Achtzigern sah Israel sich aber damals ganz real mit brodelnden und immer wieder aufbrechenden Konfliktherden konfrontiert.
Die Punk-Szene politisierte sich nach einer naiv-schwärmerischen Frühzeit entsprechend schnell, mit Pitchon als Sänger der Band NOON MEM an vorderster Front.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #129 Dezember16/Januar17 2016 und Anke Kalau