Der erste Eindruck zählt, kann und sollte aber revidiert werden, wenn man feststellt, dass man sich geirrt hat. Mein erster Eindruck hier war: Wann geht's los? Wann kommt endlich der Hammer? Wo bleibt das Schlagzeug? Warum brüllt hier niemand wie eine abgestochene Sau und wo in aller Welt ist die marshallverstärkte Gitarre? Da hier zwei Leute von VEGAS mit von der Partie sind, war die Erwartung eben auf ein weiteres Hardcore-Brett gerichtet.
Aber das hier hat so absolut mal überhaupt gar nix mit Hardcore zu tun, und deswegen geht hier auch kein Brett irgendwohin, es gibt keinen Strom und keinen Krach. Damit einmal abgefunden und einen zweiten Blick riskiert, ist das hier etwas richtig Großartiges.
Gehauchte, kehlig-kratzige (teils mehrstimmige) Vocals zu unverstärkter Akustikgitarre und tiefen düsteren Ambient-Soundscapes, angenehm unhektisch und unverkrampft. Dazu trinkt man einen dunklen Rotwein und genießt im abgedunkelten Raum für sich.
Wäre das Ganze nicht so düster, könnte man sich prima dazu entspannen. Von der Grundstimmung her ist "Fade To Black" aber eher dazu geeignet, sich beim Hören in der Badewanne ganz langsam die Pulsadern aufzuschneiden und auszubluten, als ein revitalisierendes Erkältungsbad zu nehmen.
Hat trotz der glasklaren Akustigitarre nichts mit Neo-Folk (Wald-, Feld- und Wiesenmusik) zu tun, eher mit einem Boyd Rice ohne Lärm, wie bei "Music, Martinis & Misantrophy", bei der die negative Grundhaltung auf eine andere Art ausgelebt wird.
Übrigens ein perfekter Soundtrack, um neben schwerem Wein endlich einmal ein paar Absinth-Rezepte auszuprobieren und mal wieder die guten alten "Answer Me!"-Hefte durchzublättern, denn das hier wäre ganz nach dem Geschmack von Jim und Debbie Goad gewesen.
Authentisch düster und ... in der Tat anders. (-)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #65 April/Mai 2006 und Kalle Stille