Für einen Newcomer hauen RED TAPE aus Los Angeles ziemlich auf die Kacke: Dickes Artwork, aufwendige Homepage, gleich ein Video am Start... Und mit Amir Derakh haben sie sich einen Produzenten geangelt, der sonst eher die Metal-Fraktion in Ekstase versetzt (SYSTEM OF A DOWN, COAL CHAMBER, ORGY).
Genug Gründe also, RED TAPE erst einmal scheiße zu finden. Doch mit einer Vorverurteilung würde man der Band Unrecht tun, denn "Radioactivist" dürfte eines der erfrischensten Alben des Jahres werden, schafft es doch mühelos einen - mir bis dato für unmöglich gehaltenen - Spagat zwischen modernem Metal und Old School-Hardcore hinzulegen.
Den roten Faden bildet dabei diese krass verzerrte Gitarre, die ein ums andere mal an BLACK FLAG erinnert. Das ist aber auch die einzige stilistische Konstante des Albums. Ansonsten scheren sich RED TAPE einen Dreck um Konsequenz.
In 45 Sekunden hacken sie einen Song ("High Revoltage") runter, der auch von den CIRCLE JERKS stammen könnte. "Shoot! Move! Communicate!" ist fast schon Streetpunk, "Reactor" dürfte auch jedem STRIKE ANYWHERE-Fan zufrieden stellen.
Ihr Meisterstück liefert die Band allerdings mit "El Salvador" ab: Das Lied beginnt als hyperschnelles Thrash-Stück und mündet dann in einem ultrafetten BLACK SABBATH-Riff, das alle Stonerbands der letzten fünf Jahre ganz alt aussehen lässt.
So ein Misch-Masch geht meistens schief, doch RED TAPE schaffen es, aus jedem Song einen Hit zu machen und auch die härteste New Yorker Sing-Along-Possee zufrieden zu stellen. Die vier Bandmitglieder liefern einen exzellenten Job ab, allen voran Frontmann Jeff Jaworski, der seine ziemlich anarchistischen Texte abwechselnd brüllt oder singt und auf beiden Terrains überzeugen kann.
Jetzt bleiben RED TAPE nur noch den Beweis schuldig, dass sie live genau so druckvoll daher kommen, wie auf dem Album, oder ob das alles eher der fetten Produktion zu verdanken ist. Jedenfalls haben Roadrunner nach Jahren endlich mal wieder eine interessante Band unter Vertrag und man darf gespannt sein, wie sich das noch entwickelt.
(36:41) (09/10)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Ingo Rothkehl