Der Rummel um „Verschwende Deine Jugend" hat ein paar kleine Schattenseiten wie unnötige Reunions, Trittbrettveröffentlichungen und Wortmeldungen von Leuten, die damals schon scheiße waren (kann der Autor und das Buch nix für), aber auch ein paar gute Nebeneffekte wie die Wiederveröffentlichung damals nicht auf Platte erschienener Tapes oder zu Unrecht untergegangener Scheiben.
Eine weitere Gratisbeigabe des Buches war der wiederentdeckte Spaß an den alten Kamellen, die größtenteils immer noch erstaunlich frisch und unverbraucht klingen, was zum einen daran liegen mag, dass der kommerzielle Aspekt bei der Produktion keine Rolle gespielt hat und es zum anderen den Bands egal war, ob sie irgendeine Zielgruppe bedienen würden.
Zielgruppen sind vergänglich wie Zeitgeist oder hippe Trends, dort liegt wohl auch das Geheimnis ewiger Frische begraben! Die RADIERER waren eine Band, die eigentlich nie eine richtige Zielgruppe hatten und keinem Trend hinterhergehechelt sind.
Für die Punks zu poppig, zu verspielt, für die ernsthaften Waver zu kindisch, für die „Musiker" zu dilettantisch und für den Rest war's eben wieder „zu perfekt". Dabei sind die RADIERER das eigentliche Bindeglied zwischen den elektronischen Bastlern wie dem PLAN und den Bands, die nach wie vor auf eine traditionelle Gitarre, Bass, Schlagzeug, Sänger-Konstellation setzten und aus Punk das bastelten, was die deutsche New Wave-Welle irgendwann so populär machte, dass die Industrie kurz ihren Winterschlaf beendete, um mit drei Buchstaben eine Menge Geld abzuziehen.
Ursprünglich erschienen diese Aufnahmen als Cassette, die heute kaum noch ohne Gebrauchsspuren, Rauschen oder Leiern zu bekommen sein dürfte. Wäre in der Tat schade gewesen, wenn diese Aufnahmen dort verblichen wären, denn die Provinzblüte aus Limburg macht nach wie vor gehörig Spaß! Limburg - das mal am Rande - war die Heimatstadt der RADIERER, wie auch von WIRTSCHAFTSWUNDER, KORPUS KRISTI oder SILUETES 61 - vier Bands mit Vinyloutput, was umso mehr erstaunt, da ich mir sicher bin, dass 98% von euch erstmal etwas suchen müssten, um das Nest Limburg auf der Karte überhaupt ausfindig zu machen.
Und so gibt es im Jahre 2002 dieses Kleinodtape endlich in einer Minimalauflage von 100 Stück auf einer bunten kleinen Platte im klassischen SHELLAC-Format. Deutscher Frühachtziger-New Wave, fernab jeder Schublade, unbeeinflußt von A&R-Managern, Plattenfirmen oder einem Produzenten mit „genauen Vorstellungen".
Ist in dieser Stückzahl zwar nicht gerade billig, aber es macht Spaß, und wer will, der kann ja gerne loslaufen und sich für lau einen Abzug dieses Tapes besorgen, viel Spaß auch! Als Bonus-Track gibt es die wahrscheinlich kinderfreundlichste Version eines alten KRAFTWERK-Klassikers, der dummerweise nicht in die Zeit der Aufnahmen passt, weil das Original erst 1981 veröffentlicht wurde, eieiei.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #52 September/Oktober/November 2003 und Carsten Vollmer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #52 September/Oktober/November 2003 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Kay Werner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #49 Dezember 2002/Januar/Februar 2003 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #113 April/Mai 2014 und Kalle Stille
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #132 Juni/Juli 2017 und Kalle Stille