Offen gestanden hatte mir der Name Jacques Mesrine bisher nicht allzu viel gesagt, ein französischer Gewaltverbrecher, der in Frankreich in den 60er und 70er Jahren sein Unwesen trieb und trotz der Brutalität seiner Taten fast schon als moderner Robin Hood galt, bedingt durch sein Geschick, die Öffentlichkeit von der politischen Motivation seines Handelns zu überzeugen.
Denn Mesrine war sehr am öffentlichen Bild seiner selbst in den Medien interessiert. Im November 1979 fand er dann in Paris sein unrühmliches Ende, quasi hingerichtet von der Polizei, die ihn in einen Hinterhalt lockte und in seinem Auto mit 21 Schüssen regelrecht durchsiebte, um endlich unter dessen Aktivitäten im Bereich Überfall, Raub, Entführung und Mord einen Schlussstrich zu ziehen, denn selbst Gefängnismauern hatten Mesrine immer nur kurz davon abhalten können.
Zumindest fand er während eines Gefängnisaufenthaltes 1977 die Zeit, noch seine Autobiographie „L’instinct de Mort“ („Der Todestrieb“) zu schreiben, in der er sich recht offen zu seinen Taten bekannte.
1978 gelang ihm allerdings mit zwei anderen Gefangenen bereits schon wieder die Flucht aus dem Gefängnis. Insofern ist das Leben und Sterben dieses Mannes gut genug dokumentiert, um einen vierstündigen, in zwei Teile aufgeteilten Film möglich zu machen, der seinem Hauptdarsteller Vincent Cassel, der für seine Rolle 20 Kilo zulegen musste, einen César bescherte, den begehrten französischen Filmpreis.
Allerdings nicht der erste Film über Mesrine, denn bereits 1984 wurde dessen Leben von André Génovès auf die Leinwand gebracht. Jean-François Richet konnte sich bereits mit seinem passablen Remake von Carpenters ASSAULT ON PRECINCT 13 als Mann für anspruchsvolles Actionkino empfehlen, und so sind L’INSTINCT DE MORT und L’ENNEMI PUBLIC N° 1 stilsichere Beispiele für den klassischen französischen Gangsterfilm geworden, schnell und hart inszeniert, aber ebenso an der Darstellung lebensechter Charaktere inszeniert, also quasi auch Biopics.
Natürlich kann man sich über Richets Bild von Mesrine streiten, der den brutalen Kriminellen als anarchistischen Hasardeur darstellt, der die revolutionären Ideale der 1968er-Protestbewegung individuell für sich auslegt, und dessen ungehemmte Gewaltbereitschaft vor allem Folge seiner traumatischen Erfahrungen im Algerienkrieg war.
Aber wie heißt es doch so schön in THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE: „When the legend becomes fact, print the legend.“ Man muss hier schon etwas Zeit mitbringen, aber wird mit einem extrem spannenden und extrem harten Filmerlebnis entlohnt, bei dem Cassel eine der besten darstellerischen Leistungen seiner bisherigen Karriere abliefert, der Mesrine in all seiner faszinierenden Widersprüchlichkeit wirklich zum Leben erweckt.
An seiner Seite sind auch noch andere bekannte Gesichter zu sehen, wie Olivier Gourmet, Ludivine Sagnier, Gérard Depardieu oder Cécile De France. Einer der besten Filme des Jahres 2009 (trotz der zwei Teile muss man das Ganze schon als Einheit begreifen und auch am besten komplett anschauen), gegen den etwa Ridley Scotts AMERICAN GANGSTER oder Michael Manns PUBLIC ENEMIES leider fürchterlich abstinken.
Beide Filme gibt es zusammen auf einer DVD, „ab 18“, zwar ohne großartige Extras, aber dafür zu einem fairen Preis.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #87 Dezember 2009/Januar 2010 und Thomas Kerpen