In Prä-Internetzeiten waren Mixtapes und Compilations das, was heute kuratierte Spotify-Playlists sind: ein Tool, um neue Bands kennen zu lernen. Nicht wenige von uns kauften nach und nach Platten der Bands zusammen, die etwa auf der „International P.E.A.C.E. Benefit Compilation“ auf Dave Dictors R Radical-Label enthalten waren, so manche Plattensammlungen dürfte sternförmig um diese Doppel-LP von 1984 aufgebaut sein. Mit dabei unter den über fünfzig Bands aus den USA und Europa waren auch NEON CHRIST aus Atlanta, Georgia mit „Ashes to ashes“, die im selben Jahr auch die „Parental Suppression“-7“ veröffentlichten. 1990 kam dann eine Doppel-7“ namens „A Seven Inch Two Times“, da waren NEON CHRIST längst Vergangenheit, letztlich war ihr „Sommer“ das gesamte Jahr 1984, und als die Welt mittels der „International P.E.A.C.E. Benefit Compilation“ auf sie aufmerksam geworden war, war es auch schon fast wieder vorbei, 1986 lösten sie sich endgültig auf. Die 14 Songs der „Parental Suppression“-7“ sowie der „The Labor Day Sessions“ vom 3.9.1984 sind nun auf dieser LP im Klappcover zusammengefasst, wurden von Gitarrist William DuVall in einem analogen Studio in Nashville neu gemastert und klingen erstaunlich druckvoll für die damaligen Aufnahmebedingungen – dass die 12“ auf 45 rpm rotiert, hilft da noch extra. Im Innenteil sind die Texte abgedruckt, im beiliegenden LP-Cover-großen Booklet mit zwölf Seiten finden sich anekdotische Erinnerungen der Bandmitglieder und reichlich Fotos. Musikalisch mitreißend, weil furioser Hochgeschwindigkeits-Hardcore, und optisch wie haptisch bestmögliche Musikgeschichtsaufarbeitung. William DuVall kennt man übrigens seit 2006 als Gitarrist und Sänger von ALICE IN CHAINS, er betreibt zudem das DVL-Label. Nach NEON CHRIST war er auch mal kurz bei BL’AST.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Joachim Hiller