Wenn man sich einen Film zweimal kurz hintereinander anschaut, einmal in der bereits 147 Minuten langen Kinofassung und dann noch mal im sogenannten gut 20 Minuten längeren Director’s Cut, muss er irgendeine Form von Anziehungskraft besitzen.
Leider bleibt der Director’s Cut der 2-Disc Limited Edition vorbehalten, die normale DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung von Ari Asters aktuellem Film „Midsommar“ enthält „nur“ die Kinofassung.
Interessanterweise zieht der Regisseur sogar die Kinofassung vor. In „Midsommar“ lässt Aster ein paar amerikanische StudentInnen – darunter die psychisch labile Dani, die gerade Schwester und Eltern auf traumatische Weise verloren hatte – nach Schweden reisen (gedreht wurde der Film allerdings überwiegend in Ungarn), um dort in einer abgelegenen ländlichen Gemeinde an den Feierlichkeiten zur Sommersonnenwende teilzunehmen.
Über die folgenden Ereignisse sollte man nicht zu viel verraten, denn verpackt in die schönsten Bilder des Kinojahres 2019 konfrontiert Aster den Zuschauer in dieser Idylle mit bizarren heidnischen Traditionen, deren Opfer auch die StudentInnen werden.
Wie schon in seinem Spielfilmdebüt „Hereditary“ von 2018 dürfte Aster ein breiteres Publikum durch recht drastische Schockeffekte – so lernt man hier eine fantasievolle Hinrichtungsform der Wikinger namens Blutaar bzw.
Blutadler kennen – und eine ziemlich kryptische Story eher abstoßen. Ein Film ohne Wirkung ist der mit viel Liebe zum Detail inszenierte „Midsommar“ ganz sicher nicht, bei dem erneut ein extremes Trauma im Mittelpunkt steht, das bewältigt werden muss.
Ebenfalls unübersehbar ist, dass Aster hier zumindest teilweise Robin Hardys 70er-Folk-Horror-Kultfilm „The Wicker Man“ zitiert, ohne aber den Aufeinanderprall unterschiedlicher Weltanschauungen wirklich tiefergehend zu thematisieren.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #148 Februar/März 2020 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #154 Februar/März 2021 und Thomas Kerpen