Welches Verhältnis man zur „Musik“ von Masami Akita und seinem Projekt MERZBOW hat, äußert sich schon in der Wahl der Begrifflichkeiten, denn während die einen despektierlich von Lärm sprechen, neigen Fans solcher diffusen Klänge eher zum Begriff Noise. Ich halte im Zusammenhang mit dem umtriebigen und renommierten japanischen Noise-Pionier auch den Begriff Krachkünstler für statthaft, wobei er allerdings selbst in Noise-Fachkreisen nicht ganz unumstritten ist und dessen zahlreiche seit Anfang der Achtziger Jahre entstandenen konfrontativen Arbeiten um größtmögliche Radikalität bemüht sind. Über 400 MERZBOW-Veröffentlichungen listet Discogs, darunter zahlreiche Kollaborationen wie 2020 mit der japanischen Sludge-Institution BORIS, mit denen Akita schon einige Male zusammengearbeitet hatte. Auf „Eternal Stalker“ arbeitete Akita mit dem Australier Lawrence English zusammen, der an der Schnittstelle von Kunst und Field-Recordings aktiv ist. Die russische Sprachvariante auf der Vorderseite der Platte verweist schon darauf, dass sich der Titel „Eternal Stalker“ auf Andrei Tarkovskys mystisch-philosophischen Science-Fiction-Film „Stalker“ bezieht. Akita und English destillierten daraus ihre eigene Version dystopischer Soundscapes, die sich herkömmlichen Kompositionsschemata konsequent entziehen. Es passiert häufig, dass Akitas wenig harmonisches Klangspektrum eher Unwohlsein erzeugt, auf „Eternal Stalker“ gelingt ihm und seinem Partner überraschenderweise ein faszinierender, regelrecht psychedelischer Sog, trotz der völligen Abwesenheit nachvollziehbarer Songstrukturen, bei der die Freiheit der Form zu einem dennoch geschlossenen Gesamtgebilde führt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Thomas Kerpen