Hörsturzproduktion aus Berlin bringt mit dieser liebevoll aufgemachten LP-Box eine opulent aufgemachte Werkschau dieser mir bisher völlig unbekannten Berliner Band heraus. Als sich ME-109 im Jahr 1979 gegründet haben, änderte die Band den Namen bald darauf in TV-WAR, weil sich einige Leute daran störten, dass sie sich nach einem Kampfflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg benannt hatten.
Neben der Single „Berlin West“ von 1980 (einer Hymne auf das damalige Berlin) und der LP „Marmor, Stein und Eisen fliegt“ (die Anfang der Achtziger bereits veröffentlicht wurde) gibt es auf insgesamt vier LPs zwei bisher unveröffentlichte Konzertmitschnitte, Proberaum-Aufnahmen sowie eine DVD.
Dazu gibt es Zeitungsartikel und Fanzine-Reviews, die Songtexte, eine kurze Bandhistorie und die Reproduktion eines Konzertplakats. Das Ganze erscheint in einer stabilen Pappbox. Es gibt also viel anzuschauen und zu entdecken.
Das martialische Cover mit dem zerstörten Brandenburger Tor könnte vermuten lassen, dass es hier DISCHARGE-artig zur Sache geht. Aber weit gefehlt! TV-WAR waren eine Band, die dem damaligen Zeitgeist entsprechend sich irgendwo im Spannungsbereich zwischen Punkrock und frühem New Wave bewegten.
Gerade die frühen Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1979 dokumentieren das sehr gut. Die ersten, teils noch sehr rohen Stücke erinnern vom Sound her an eine andere Berliner Band, nämlich PVC. Andere Stücke weisen Einflüsse von den DICKIES oder auch frühen DEVO auf, hier und da gibt es Anklänge an SPIZZ ENERGY oder auch WAYNE COUNTY AND THE ELECTRIC CHAIRS.
Wenn man das chronologisch durchhört, kann man die Entwicklung der Band gut verfolgen: vom rohen Punk der Anfangszeit hin zu einer deutlich von New Wave beeinflussten Band, die mit Synthesizer-Klängen, Ska und Reggae experimentierte.
Die späteren, deutschsprachigen Songs weisen bereits auf die am Horizont aufziehende Neue Deutsche Welle hin. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Ästhetik von IDEAL, NEONBABIES, HANS-A-PLAST oder auch FEHLFARBEN ist hier erkennbar.
Man merkt aber trotz der Einflüsse, dass TV WAR stets auf der Suche nach einem eigenen Stil waren. Eine wirklich interessante Geschichtsstunde, die uns Hörsturzproduktion hier liefert, und value for money.
Den ersten 55 LP-Boxen liegt übrigens auch eine Laserdisc-Uhr bei. Jede davon ein Unikat.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Mario Gaffa