LEE SCRATCH PERRY’S VISION OF PARADISE

Die grundsätzliche Frage darf man auch bei Lee „Scratch“ Perry nicht stellen, wie bei allen Rastafaris (siehe BAD BRAINS): Kann und darf man die Sektenaspekte dieser musikalisch so beeindruckenden Bewegung außer Acht lassen oder muss man deren Widersprüche thematisieren, also verbreitete Frauen- und Schwulefeindlichkeit sowie die kultische Verehrung des äthiopischen Despoten Haile Selassie? Der 1936 auf Jamaika geborene Rainford Hugh Perry alias Lee Perry ist einer der der Erfinder des Reggae: 1968 gründete er sein Label Upsetter Records, hatte mit der Studioband THE UPSETTERS erste Hits auf der von großen sozialen Verwerfungen geprägten Insel.

1973 baute er in seinem Hinterhof das The Black Ark-Studio auf, in dem er bis zu seinem Weggang von der Insel Anfang der Achtziger zahlreiche der große Namen des Reggae produzierte, allen voran Bob Marley, von dem er sich im Streit trennte.

Seit den Achtzigern arbeitet Perry vor allem in England und den USA, gerade in UK war aus der frühen Punkszene heraus eine Begeisterung für Dub und Reggae entstanden, und bis heute ist er an zig Kooperationen und Remixen beteiligt.

Perry, der seit einigen Jahren mit Frau und Kindern in der Schweiz lebt – sein dortiges Studio wurde 2015 bei einem Brand schwer beschädigt –, ist, das zeigt dieser Film von Volker Schoner, der ihn über 15 Jahre mit der Kamera begleitete, ein extrem schräger Vogel, bei dem man nicht sagen kann, wo die Genialität aufhört und wo ein gewisser Wahnsinn beginnt.

Geradlinige Ausagen (sowieso nur mit Untertitel verständlich) bekommt man von Perry kaum zu hören, sondern entweder medientaugliche Standards oder Rätselhaftes. Der Film ergründet das Phänomen kaum, er dokumentiert nur, und das ist schade.