Wie hieß es doch in diesem Heft beim letzten 2018 erschienenen Album „The Sound Of Music“ der 1980 im jugoslawischen Trbovlje gegründeten LAIBACH, die anfangs vor allem von Menschen wahrgenommen wurden, zu deren Lieblingsbands auch THROBBING GRISTLE, SPK oder EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN gehörten: „Bis heute sind LAIBACH provokationsfreudig ...“ Im Fall von „The Sound Of Music“ bedeutete das, dass die slowenische Band, die 2015 zwei Konzerte in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang gespielte hatte, für ihr Album und die Konzerte ein gleichnamiges Hollywood-Musical aus dem Jahr 1965 verwurstete, das sich in Nordkorea großer Beliebtheit erfreut. Dieser für LAIBACH nicht ungewöhnliche Flirt mit dem Totalitarismus zündete aber nicht so richtig, zumal man bei ihnen schon häufiger das Gefühl hatte, dass ihre Platten, je kunstbeflissener sie sich präsentierten, deutlich an Reiz einbüßten. Die Feuilletonisierung ist auch bei LAIBACH in vollem Gange, wobei die subversive Unterwanderung des normalen Kulturbetriebs schon immer Teil ihrer künstlerischen Strategie war. Das wird auch bei „Wir sind das Volk“ wieder deutlich, denn die Platte enthält die Musik zur gleichnamigen Theaterproduktion, die am 8. Februar 2020 in Berlin uraufgeführt wurde, aber wegen der Pandemie erst in diesem Jahr fortgesetzt werden konnte. LAIBACH nahmen sich dabei erneut nach 1984 der Schriften des Dramatikers Heiner Müller an. Der Titel weckt erst mal unangenehme Assoziationen in Richtung Rechtsextremismus, tatsächlich beschäftigt sich das LAIBACH-Musical vor allem mit der widerständigen Biografie des Schriftstellers, bei der die Beschwörung der NS-Zeit aber nötig ist, ist diese doch eng verknüpft mit Müllers eigenen Erfahrungen, dessen Vater von der SS ins KZ verschleppt wurde. Als Artwork wurde dazu passend Gottfried Helnweins hintergründige „Epiphany“-Bildreihe verwendet, der darauf Nazi-Propagandafoto-Ästhetik mit der Symbolik und Komposition christlicher Heilandsdarstellungen verband. Musikalisch sind LAIBACH auf „Wir sind das Volk“ mehr Brecht als Industrial, bleiben sich aber letztendlich doch irgendwie treu und erinnern hier vor allem an die experimentellen Ambient-Drone-Kompositionen ihres Albums „Also sprach Zarathustra“. Um das Ganze aber wirklich vollständig bewerten zu können, muss man „Wir sind das Volk“ wohl auf der Bühne erleben, denn ohne die visuelle Komponente bleibt das Album wie schon „The Sound Of Music“ eine teilweise unbefriedigende Angelegenheit.
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