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LAIBACH

Opus Dei

Viel von der Magie einer Band machte einst aus, dass man oft kaum etwas wusste von dieser und auch kaum eine Chance hatte, mehr herauszufinden. So war das zumindest ... vor dem Internet. Heute hingegen lässt sich jeder Stunt in Sachen Image – allen Diskussionen um Fake News zum Trotz – maximal ein paar Tage durchhalten, dann hat die „Schwarmintelligenz“ alles ausrecherchiert. Einst in den Achtzigern stieß man also auf eine Band, die hieß LAIBACH, und schon der Name war fast ein Skandal: Wer für die Stadt Ljubljana in Jugoslawien (so hieß der Staat dort damals noch, Slowenien kam erst später wieder) ihren früheren deutschen Namen verwendete, der war per se revanchistischer Umtriebe verdächtig, war die Region doch einst von den Nazis annektiert worden. Damals sprachen nur die durchweg stramm rechten Vertriebenenverbände von Danzig, Königsberg, Stettin. LAIBACH also ... Die waren schon mit ihrem titellosen 1985er Debütalbum aufgefallen, mit „Nova Akropola“ von 1986 waren die als „Ostblockband“ auf gleich drei westlichen Labels gelandet, Cherry Red (UK), Wax Trax! (USA) und Rebel Rec. (Deutschland). Es umgab sie etwas Geheimnisvolles, warum etwa sangen die auf Deutsch? Und was sollten die ganzen Symbole auf dem Backcover von „Opus Dei“, 1987 auf dem britischen Mute-Label erschienen? Und was war das für seltsame Marschmusik beim schrägen eingedeutschten Cover „Leben heißt Leben“ des damaligen Megahits „Live is life“ der österreichischen Rockband OPUS? Und was hatten die aus „One vision“ von QUEEN gemacht? „Geburt einer Nation“ hieß die neue Version, und der Text geht unter anderem so: „Ein Fleisch, ein Blut, / Ein wahrer Glaube. / Eine Rasse und ein Traum, / Ein starker Wille. / [...] Es gibt nur eine Richtung, / Eine Erde und ein Volk. / Ein Leitbild.“ Ja, nun ... man musste schon sehr an eine andere Interpretation glauben als die (vermeintlich) Naheliegendste bei einer Band, die zudem auch noch mit dem Bild von vier mittels Schnüren zusammengehaltenen Äxten arbeitete, was eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Hakenkreuz hatte ... Der antifaschistische Reflex führte schnell zu Schnappatmung, aber ... das Label ... und es hieß überall, es sei Kunst. Und die war und ist es auch, wie wir heute wissen. LAIBACH hatten als Künstler aus dem Kontext des NSK, dem Kollektiv „Neue Slowenische Kunst“ (in deutscher Schreibweise), ein Händchen für das Spiel mit totalitärem Kitsch, an dem es ja auch in Jugoslawien nicht mangelte. Sie wussten die richtigen Knöpfe zu drücken, waren Provokateure par excellence und damit dem Punk nah – siehe dessen Hakenkreuz-Provokationen. Mit „Opus Dei“ schufen sie noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem blutigen Zerfall des blockfreien Jugoslawiens ein Album mit internationaler Strahlkraft, eines der wichtigsten Werke des Industrial, von dem manche Menschen behaupten, RAMMSTEIN hätten sich hier so ziemlich alles abgeschaut. Übrigens wurden LAIBACH auch im eigenen Lande missverstanden und sanktioniert – ehrlich gesagt hatten sie aber auch alles dafür getan. Mute hat diesen Klassiker nun neu aufgelegt, und ich bin beim ersten Durchhören nach langer Zeit erstaunt, wie gut gealtert das Album musikalisch ist – und wie aktuell (leider) inhaltlich. Sehr gut ist der (englische) Aufsatz im dicken Booklet, der all das hier Angerissene im Detail ausführt.