Der Sticker auf dem Cover ist ein ganz klein bisschen lustig: „The next big punk rock act from Norway!“ seien KORRUPT, behauptet ihr sympathisches Label Fysisk Format da, und auch wenn das Label durchaus ein Händchen für coole Bands hat ...
weder sind KORRUPT bislang groß noch ... fällt mir überhaupt eine norwegische Punkband ein, auf die das Attribut „big“ annähernd zutrifft – TURBONEGRO mal außen vor gelassen, und bei denen ging es zwar immer auch um Punk, vor allem aber um ROCK, in Versalien, klar.
„Preachers And Creatures“ ist der erste Release von KORRUPT, die unter anderem aus SOCIAL SUICIDE hervorgingen, die zwei sehr gute Hardcore-Alben auf Redfield veröffentlichten. Die Band kommt aus dem südnorwegischen „Bibelgürtel“, genauer aus Kristiansand, wo die Quote devot religiöser Irrer wohl ähnlich hoch ist wie in der entsprechenden Region in den USA.
Was uns übrigens zu SILVER führt, einer norwegischen Band, die man wegen ihres Christenfimmels nicht genug dissen kann. Die Verbindung von SILVER zu KORRUPT ist freilich nur indirekt, Produzent Tommy Akerholdt arbeitete eben auch schon für SILVER – und TURBONEGRO.
Die vier Mitglieder von KORRUPT jedenfalls haben es geschafft, das Christengift, das ihnen von klein auf eingeimpft wurde, „auszuschwitzen“ und entsprechend stark geprägt verarbeiten sie das in den (englischen) Texten, etwa in „Revolt“ („We have turned our backs [...] We’re never coming home / We’re never coming back to you I swear“) oder „Intuition“ („Not even for half a second did I enjoy the lecture, understand that section [...] Didn’t ask for you to manipulate the youth.“).
So gut die Texte von Frontmann Marius im Kern sind, manchmal sind sie etwas zu „um die Ecke“, hätte ich mir mehr Deutlichkeit gewünscht. Wenn sie freilich ihre Wirkung auf jugendliche Norweger (und Menschen anderswo) mit ähnlichem Background entfalten, ist das nur kleinliche Detailkritik.
Musikalisch sind KORRUPT ein eingängiger Grenzgang zwischen Punk/Hardcore älterer und neuer Schule. Rock ja, aber kein Metal. Fauchend gebrüllter Gesang ja, aber auch hymnische Grölchöre, vor allem aber: keine cleanen Vocals.
Hier klingt nichts nach britischer oder US-amerikanischer Plastikmusik, hier wird in echt gelitten. Ich sehe verschwitzte Menschen vor und auf der Bühne, die mit verzerrten Gesichtern die Texte (mit)singen, eine Faust in der Luft, von den stampfenden Midtempo-Nummern mitgerissen.
Interessant: in keiner Rezension, die ich zu diesem Album gefunden habe, findet sich ein Vergleich zu einer anderen Band. Böser Verdacht: weil sich im Presseinfo des Labels keiner findet ...
Belassen wir es dabei. Obwohl ... ich werfe einfach mal ihre Labelmates HAUST in den Ring, wobei die fieser sind, wohingegen KORRUPT auch für die großen Bühnen taugen.
© by Fuze - Ausgabe #68 Februar/März 2018 und Joscha Häring
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Joachim Hiller