Karl Nagel, früher APPD-Häuptling, Fanzinemacher und Sänger diverser Bands wie MORBID OUTBURST und MILITANT MOTHERS, hat zwei große Leidenschaften: Comics und die BAD BRAINS. Erstere versuchte er in den letzten Jahren mit einem Comic-Verlag zu auszuleben, was – die Welt war nicht bereit – leider nur von mäßigem Erfolg gekrönt war, letztere lebt er seit rund zwei Jahren mit KEIN HASS DA aus, seiner Band, die sich unverkennbar der absoluten BAD BRAINS-Verehrung verschrieben hat: das Bandlogo sowie das an deren ’82er Debüt-Album angelehnte Artwort (der Blitz schlägt hier ins Brandenburger Tor und nicht ins Capitol ein) sprechen eine eindeutige Sprache.
Was lag also näher als die beiden Leidenschaften zu kombinieren? Der musikalische Teil besteht darin, dass Karl Nagel sich daran machte, die meisten Texte der erst in Washington, DC und später in New York ansässigen Band ins Deutsche zu übersetzen, und dann machte er sich mit einer Band daran, die Songs einzustudieren, möglichst nah am Original.
So weit der erste Schritt, es wurden bereits zahlreiche Konzerte gespielt, und nun also das Album. Das erscheint (wahlweise) in Kombination mit einem richtigen Hardcover-Comic-Album im A4-Format, rund 70 Seiten dick, ganz in Farbe.
Darin findet sich die Story einer Band, die als Alice Cooper-Coverband ihren Lebensunterhalt verdienen muss, dann aber den „Hirntrafo“ findet, in eine anderen Dimension gebeamt wird und die BAD BRAINS live erlebt und daraufhin zu KEIN HASS DA wird – oder so ähnlich.
Cool gezeichnet von Vincent Burmeister und getextet von Karl Nagel kann da der in BAD BRAINS-Sachen versierte Leser kaum zufällige Ähnlichkeiten zur Geschichte einer real existieren Rasta-Hardcore-Band feststellen, und unterbrochen werden die verschiedenen Teile der „Hirntransformationsstory“ der NICE BOYS durch von verschiedenen Künstlern illustrierte Seiten mit der jeweiligen deutschen Textübersetzung.
Womit wir uns dem Knackpunkt des ganzen Projektes nähern ... Fangen wir so an: 2007 sah ich die BAD BRAINS live, oder besser: den Schatten dieser Band. Diese lahme Coverband einschließlich ihres Sänger-Wracks H.R.
stecken KEIN HASS DA musikalisch locker in die Tasche, da wurde geprobt, bis alles exakt dem Original entsprach. Respekt. Doch dann ist da der Gesang ... Ich habe großen Respekt vor Karl Nagels musikalischem Schaffen, seine oben erwähnten Bands sind für mich erstklassig.
Doch was hier vier, fünf, sechs Songs lang funktioniert, also recht cleaner Gesang mit klar verständlichen, freien Interprationen der BAD BRAINS-Texte, das fängt schnell an zu nerven, wird unerträglich, bis man sich nach 70 Minuten und knapp 30 Cover-Songs verständnislos fragt, was für ein Teufel diesen Mann da geritten hat.
Der Dämon BAD BRAINS? Wahrscheinlich. Im Wissen um das großartige Original (zumindest bis „Quickness“ war alles in Ordnung) ist dieses Projekt zwar bewundernswert, das Comic-Album klasse umgesetzt, doch ein drittes oder viertes Mal werde ich mir die Gesangsakrobatik hier nicht anhören können.
Meine mit gemischten Gefühlen ausgesprochene Empfehlung: Die liebebvolle Huldigung einer grandiosen Band, die man als Fan auf jeden Fall mal in den Fingern gehalten haben sollte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #114 Juni/Juli 2014 und Lars "Abel" Gebhardt
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Joachim Hiller