JETZT!

Liebe in großen Städten (1984-1988)

Bad Salzufflen Indiepop City. Mit dem so einflussreichen, aber in Absatzzahlen völlig unbedeutenden Label Fast Weltweit kam das ostwestfälische Kaff quasi aus Versehen zu Ruhm und Ehre. Söhne und Töchter der Stadt (Bernd Begemann, Jochen Distelmeyer, Frank Spilker, Bernadette Hengst und Michael Girke) veröffentlichten hier erste Songs.

Dann setzte die Landflucht ein, ein Teil der Szene emigrierte nach Hamburg, wurde dort Teil der „Hamburger Schule“. Girke hingegen ging nach Berlin, spielte dort mit JETZT! sträflich übergangene, unterbewertete Songperlen ein, einige der stärksten Stücke, die die verschüchterte deutsche Popmusik nach dem NDW-Zirkus hervorbrachte.

Leider hatten JETZT! so gut wie keine Veröffentlichungen: Eine 7“ („Acht Stunden sind kein Tag“, 1984), ansonsten waren sie Kassettentäter, zwei Tapes kamen auf Fast Weltweit, von denen das zweite („Liebe in großen Städten“) für Aufsehen sorgte.

Unter anderem enthielt es „Kommst Du mit in den Alltag“, das Distelmeyer derart beeindruckte, dass er es leicht überarbeitet mit ins BLUMFELD-Repertoire nahm, wo es als eins der Highlights von „Old Nobody“ zu späten Ruhm kam.

JETZT! bewegen sich selbstsicher zwischen zeitgemäßem C86-Sound, hier und da mit BRILLIANT CORNERS-artigen Blechbläsern verziert, Powerpop und beinahe folkigen Momenten. Girke als „Einzelkämpfer“, allein mit seiner Gitarre, ist nicht weit weg von Billy Bragg.

Allerdings fehlt Girke völlig dessen verbissene Dogmatik. Vielmehr geht er mit einzigartiger Aufrichtigkeit zu Werke, bezieht vehement Stellung zu persönlichen Befindlichkeiten und natürlich auch gegen das Schweinesystem.

Tapete hat nun sämtliche Aufnahmen von JETZT! zusammengestellt, ein Teil der Songs erblickt hier zum ersten Mal das Licht der Welt. Lieber spät als nie, „Liebe in großen Städten ist ein unverzichtbarer, übersehener Meilenstein des deutschsprachigen Indiepop.