Die Annäherung an Filme mit Tom Cruise gleicht oft einem Eiertanz. Denn zum einen ist Cruise dieser peinliche Scientology-Fanatiker, zum anderen ist der Mann einer der besten Schauspieler, den die Achtziger hervorgebracht haben.
Das Problem, das viele Leute mit seinem aktuellen Film „Jack Reacher“ haben, ist allerdings ein anderes. Denn der von Jim Grant aka Lee Child erdachte Krimi-Serienheld Jack Reacher, ein ehemaliger US-Militärpolizist, ist fast zwei Meter groß und wiegt über 100 Kilo.
Der Autor hatte damit wohl weniger Probleme und gab zu Protokoll: „Reacher’s size in the books is a metaphor for an unstoppable force, which Cruise portrays in his own way.“ Das ist nicht mal gelogen, da Cruise hier dank seiner generellen starken Präsenz überzeugend eine Figur verkörpern kann, die man eher in einem oldschooligen Action-Thriller der Siebziger vermutet hätte.
Nämlich eine von ausgeprägtem Gerechtigkeitsgefühl getriebene Persönlichkeit ohne familiäre Bindungen, die in überraschend gewalttätiger und erbarmungsloser Form das moralische Gleichgewicht wieder herzustellen versucht – ein geisterhafter amerikanischer Held.
Christopher McQuarrie, Drehbuchautor von „The Usual Suspects“ und Regisseur der Peckinpah-„Hommage“ „The Way Of The Gun“, verfilmte hier recht werkgetreu Childs Buch „One Shot“ (dt. „Sniper“).
Darin wird ein ehemaliger Militär-Scharfschütze verdächtigt, auf einem öffentlichen Platz wahllos fünf Menschen erschossen zu haben. Äußern will er sich dazu nicht, stattdessen schreibt er den Cops auf einen Zettel: „Get Jack Reacher.“ Ein angenehm wirklichkeitsnaher Genrefilm mit Pulp- und Noir-Anklängen, der sich mit gut dosierter Action und entspanntem Erzähltempo vom sonstigen hohlen Blockbuster-Allerlei abhebt, und mit Werner Herzog einen herrlich fiesen Bösewicht am Start hat.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #108 Juni/Juli 2013 und Thomas Kerpen