I'M NOT THERE

An einer Stelle in I'M NOT THERE sagt eine der sechs Inkarnationen von Bob Dylan: "It's like you got yesterday, today and tomorrow, all in the same room. There's no telling what can happen." Und umschreibt damit auch gut den Charakter von Todd Haynes' Film, der hier kein konventionelles Biopic über einen der legendärsten amerikanischen Musiker des letzten Jahrhunderts gedreht hat.

Allerdings muss ich zugeben, dass mir persönlich Dylan noch nie besonders viel bedeutet hat, konfrontiert wurde man dennoch ständig mit ihm, sei es durch Versionen seiner Songs von anderen Musikern oder ganz offensichtliche Einflüsse auf das Songwriting anderer Bands.

Im Gegensatz zu Musikerporträts wie WALK THE LINE oder CONTROL langweilt einen Haynes glücklicherweise nicht mit dem Aufkochen bekannter biographischer Fakten, sondern inszeniert das Ganze als verwirrend surreales Puzzle, das versucht, sich dem facettenreichen Charakter Dylans auf fast tiefenpsychologische Weise anzunähern.

Zum einen, indem er Dylan wie gesagt von sechs unterschiedlichen Darstellern (Richard Gere, Cate Blanchett, Christian Bale, Heath Ledger, Ben Wishshaw und Marcus Carl Franklin) spielen lässt, zum anderen durch unterschiedliche visuelle Stilmittel, die I'M NOT THERE eine episodenhafte, sprunghafte narrative Form verleihen.

Das Ergebnis fällt dabei durchaus zwiespältig aus, denn einerseits sind Grundkenntnisse über Dylan vonnöten, um bestimmte inhaltliche Zusammenhänge überhaupt herstellen zu können, andererseits ist Haynes' Biopic so offen inszeniert, dass man sich auch als Uneingeweihter auf diesen seltsamen psychedelischen Trip einlassen kann, wenn man unkonventionelle Filmerlebnisse zu schätzen weiß, die eindeutig nicht für ein Mainstreampublikum konzipiert sind.

I'M NOT THERE ist in dieser Hinsicht auf jeden Fall kein einfacher Film, der die Aufmerksamkeit des Zuschauer schwer fordert, dabei aber auch immer wieder höchst humorvolle wie absurde Momente besitzt, die ihn neben seinem visuellen Einfallsreichtum (dank Kameramann Ed Lachman) zu einer durchweg spannenden Angelegenheit machen.

Hinzu kommt auch der geschickte Einsatz von Dylans Musik, die hier genau die richtigen Akzente setzt. Nach I'M NOT THERE ist man wahrscheinlich entweder völlig entnervt und gelangweilt oder es hat sich ein Appetit nach mehr Dylan eingestellt, sei es in Bezug auf seine Musik oder sein Leben generell - da würde sich dann zum Beispiel Martin Scorseses exzellente, gut dreistündige Doku NO DIRECTION HOME: BOB DYLAN anbieten, die Dylans Weg vom Folksänger zum Rockstar umfassend darstellt.

Ende August erscheint der Film auf DVD in Deutschland, als normale und Deluxe-Edition, die dann 140 Minuten Bonus-Material enthält.