Diejenigen, die dieses Genre ohnehin noch nie mochten, werden ebenso wie diejenigen, die eine Zeitlang mit ihm zubrachten, beim ersten Gedanken an dieses Buch wohl sagen: „Die Geschichte der BRIEFTAUBEN? Die ist doch lange schon auserzählt – weil die Geschichte des Fun-Punk auserzählt ist.“ Und in einer Sache haben sie auch recht: Die Band aus Hannover, ursprünglich bestehend aus Micro Bogumil und Konrad Kittner, war und ist ja tatsächlich untrennbar mit dem Fun-Punk verbunden. Mit dem Punk-Subgenre, der Humor und Blödelei einbringen wollte in ein eigentlich strikt politisches Genre des Protestes. Aber auserzählt ist die Angelegenheit noch nicht. Das liegt nicht etwa daran, dass die Tauben nach dem Tode Kittners 2006 in der Zweierbesetzung Micro und Olli Bockmist wieder unterwegs sind und ihre Songgeschichten über den Buckligen, übers Abhauen und Teenagerprobleme mit Gitarre und Schlagzeug hinausprügeln. Sondern daran, dass es bislang dieses Buch noch nicht gab. Erst mit ihm ist die Geschichte nun auserzählt. Und zwar versöhnlich und so, dass die Sache mit dem Belächeln der Band und des quasi von ihr begründeten Genres eine Ehrenrettung erfährt: In einem Mix aus Interviewbeiträgen und Biografie wird deutlich, wie konsequent die Band trotz aller Blödelei dem DIY-Gedanken des Punk verpflichtet waren. Wie subversiv sie die Gelegenheit nutzten, sogar in der „Bravo“ zu zeigen, dass Punk großartig ist. Und wie sie den erfolglosen Proberaumnachbarn FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE jahrelang eine lange Hitpunkernase machten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #157 August/September 2021 und Frank Weiffen