Wer die großartige Musik von NEU! schätzt in Form der von Conny Plank produzierten Alben „Neu!“ (1972), „Neu! 2“ (1973) und „Neu! ’75“ (1975), der wird auch unweigerlich irgendwann auf die Platten von HARMONIA stoßen. „Musik von Harmonia“ (1974) und „Deluxe“ (1975) entstanden zu einer Zeit, als sich die Wege von Michael Rother und Klaus Dinger bei NEU! langsam trennten. Rother, dessen erstes Soloalbum „Flammende Herzen“ dann 1977 erschien, suchte nach neuer Inspiration und fand sie bei Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius von CLUSTER in deren Farmhaus in Forst in Niedersachsen, wo die HARMONIA-Platten aufgenommen wurden. Unter dem Namen HARMONIA 76 entstand dort 1976 auch noch eine Zusammenarbeit des Trios mit Ambient-Pionier und Ex-ROXY MUSIC-Keyboarder Brian Eno, die unter dem Titel „Tracks And Traces“ aber erst 1997 das erste Mal veröffentlicht wurde. Wiederveröffentlichungen von „Musik von Harmonia“ und „Deluxe“ gab es schon einige, in den letzten Jahren vor allem von Grönland. Aktuell erschien dort zum 50-jährigen Jubiläums des Debüts eine schön aufgemachte Doppel-LP mit Reworks und Remixes, wie es schon bei NEU! der Fall war. Insgesamt zwölf Tribute-Versuche, von denen sich aber nur acht auf der Vinyl-Version befinden, die anderen vier gibt es per Download. Auch wenn mein Favorit die etwas zugänglichere zweite Platte „Deluxe“ ist, ist auch „Musik von Harmonia“ immer noch eine faszinierende Exkursion in abstrakte kosmische Soundlandschaften zwischen Romantizismus und Noise, bei der Synthesizer noch eine untergeordnete Rolle spielen, und die eher von Roedelius und Moebius als von Rother geprägt zu sein scheint. Bei einem Stück legten sogar Rother selbst und seine Lebensgefährtin Vittoria Maccabruni Hand an, Maccabruni ist auch noch bei einem anderen Stück vertreten, ansonsten gehören hier zu den bekannteren Beteiligten David Pajo (Ende der 1980er Jahre bei SLINT) und SQÜRL (Regisseur Jim Jarmusch und Komponist Carter Logan). Im Vergleich zu den NEU!-Reworks funktionieren die von HARMONIA deutlich besser und bringen den gleichermaßen experimentellen wie eingängigen Charakter der Songs sehr gut zur Geltung. Ob man so was zwingend braucht, ist wie immer diskussionswürdig, denn letztendlich ist die große Gefahr bei der Neuinterpretation solcher Klassiker, dass man sich ordentlich die Finger daran verbrennt.
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