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HAPPINESS

Mit WELCOME TO THE DOLLHOUSE tauchte Todd Solondz 1995 auf der filmischen Landkarte auf, sein eigentliches Debüt FEAR, ANXIETY AND DEPRESSION dürfte kaum jemand kennen und kursiert bisher nur auf VHS in den Staaten.

Konnte mich WELCOME TO THE DOLLHOUSE aufgrund seiner grundsätzlichen Nettigkeit nicht völlig überzeugen, legte Solondz dann drei Jahre später mit HAPPINESS ein echtes Meisterwerk hin, welches das inzwischen eingestellte amerikanische Filmmagazin Premiere zu den „The 25 most dangerous movies ever made“ zählte und dem die NC-17-Freigabe der amerikanischen Filmbewertungsstelle MPAA kommerziell das Genick brach.

Dabei tat Solondz nur das, was so viele Filmemacher taten und immer noch tun, er verzahnte das Schicksal einiger Personen in Form eines Episodenfilms, nur dass seine Außenseiter und neurotischen Extrempersönlichkeiten auf der Suche nach dem Glück das Personal von Woody Allen zu harmlosen Witzfiguren degradieren.

Im Mittelpunkt stehen dabei die drei in New Jersey lebenden Schwestern Joy (Jane Adams), Trish (Cynthia Stevenson) und Helen (Lara Flynn Boyle), die mit ihren persönlichen Dämonen zu kämpfen haben, bei ihren Bemühungen, sich in die heile Mittelstands-Gesellschaft einzufügen.

Während Joy eine Möchtergern-Singer/Songwriterin ist, die mit Männern nicht viel Glück hat, ist Helen eine erfolgreiche Schriftstellerin („I’m so tired of being admired all the time. All these men, I mean ...

they’re all beautiful, artistic minds, great sex, the whole package, but hollow, you know what I mean? I feel nobody’s really honest with me. Nobody wants me for me.“), der ihr Nachbar Allen (Phillip Seymour Hoffman) nachstellt, der eine Schwäche für obszöne Anrufe hat, um sich Erleichterung zu verschaffen, und wo dann dann das Sperma plakativ an die Wand spritzt.

Dagegen wirkt Helen mit ihrem geordneten Familienleben wie ein Fels in der Brandung, dumm nur, das ihr Mann Bill Maplewood (Dylan Baker), der als Psychiater arbeitet, auf kleine Jungs steht und dabei auch nicht vor den Freunden seines Sohnes halt macht.

Ganz zu schweigen von seinen Gewaltfantasien, in denen er mit einem Maschinengewehr bewaffnet die Besucher eines Parks niedermetzelt. Mit dem Titel HAPPINESS ist es also nicht weit her, und so singt Michael Stipe dann im Nachspannsong auch folgendes: „It seems the things I’ve wanted in my life I‘ve never had.

So it’s no surprise that living only leaves me sad. Happiness, where are you? I’ve searched so long for you. Happiness, where are you? I haven’t got a clue. Happiness, why do you have to stay so far away ...

from me? When I’m in despair and life has turned into a mess, I know that I don‘t dare to end my search for happiness.“ Man kann HAPPINESS dabei durchaus als schwarze Komödie bezeichnen, denn wenn der pädophile Psychiater seinem Sohn erklärt, was „to cum“ also „abspritzen“ bedeutet („Have you tried playing with yourself?“), oder der obszöne Anrufer Allen zufällig bei der Schwester der von ihm angebeteten Schriftstellerin landet, die ihn wiederum für ihr nächstes Blind-Date hält („I’m gonna fuck you so hard, you’ll be coming out of your ears.

Fuck you ... “), besitzen diese Situationen schon eine beängstigend absurde Komik, auch wenn einem das Lachen dabei des öfteren im Hals stecken bleibt. Was HAPPINESS dabei wohl für viele Leute zu einer so unangenehmen Erfahrung macht beziehungsweise zu einem so „gefährlichen“ Film, ist, dass alle Charaktere trotz ihrer Macken immer noch etwas liebenswertes an sich haben.

Es fällt leicht, selbst Empathie für den pädophilen Psychiater zu empfinden, für den seine perverse Triebhaftigkeit natürlich extrem belastend ist. Solondz vermittelt uns diese Abweichung von der Norm immer noch als akzeptable Facette unserer vermeintlichen Normalität, und das hört natürlich keiner gern, denn das könnte ja gewisse Selbstzweifel hervorrufen.

Auch nach über zehn Jahren hat diese provokante, gut zweistündige und recht traurig stimmende Bestandsaufnahme unseres modernen Lebens nichts von ihrer Bissigkeit und analytischen Brillanz verloren.

Und wer dieses Meisterwerk bisher noch nicht gesehen hat, kann es jetzt mit dieser neuaufgelegten DVD nachholen, die allerdings bis auf die untertitelte Originaltonspur keine Extras aufweist.

Schade nur, dass Solondz’ aktueller Film LIFE DURING WARTIME, der die Figuren von Joy, Helen und Trish wieder aufgreift, ein recht schwacher Versuch geworden ist, an HAPPINESS anzuknüpfen, der zwar recht ähnliche Themen anschneidet, aber dabei oberflächlich und diffus in seinen Botschaften bleibt.

Eigentlich die Art von prätentiösem Arthouse-Kino, von dem sich Solondz bisher so angenehm abhob.