Es ist schon echt ein Problem, wenn sich Kreative zu sehr in ihre Figuren verlieben, da deren Popularität volle Kassen garantiert, selbst wenn dabei nur ein schwachbrüstiger Aufguss herauskommt wie im Fall von Thomas Harris’ „Hannibal Rising“, dem vierten Teil seiner „Hannibal Lecter“-Roman-Reihe.
So richtig viel war ihm schon 1999 bei „Hannibal“ nicht mehr eingefallen, auch wenn das Buch noch besser als die zwei Jahre später entstandene Verfilmung von Ridley Scott war. Bei „Hannibal Rising“ folgte die Verfilmung auf dem Fuße und was man hier geboten bekommt, ist der Versuch eines Prequels, das die Fragen beantworten soll, die eigentlich nie jemand gestellt hat und damit vor allem eines erreicht, nämlich die völlige Entmystifizierung der Figur Hannibal Lecter, sicherlich eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der modernen Thriller-Literatur.
Und so bekommt man hier auf küchenpsychologischem Niveau Erklärungen dafür geliefert, warum Lecter zum Kannibalen wurde und wieso ihm diese tollen Gesichtsmasken so irre gut stehen. Was Harris und Regisseur Peter Webber – der vorher den sehr schönen GIRL WITH A PEARL EARRING gedreht hatte – einem in dieser Hinsicht anbieten, ist allerdings mehr als dürftig, denn Lecter soll Opfer eines frühkindlichen Traumas sein, da er während des 2.
Weltkriegs mit ansehen musste, wie seine kleine Schwester von Nazi-Sympathisanten verspeist wird – der Hunger treibt’s rein. Zum jungen Mann gereift und durch die schöne Witwe seines Onkels (die leckere Gong Li) in der Kunst des Samurai-Schwertkampfs unterrichtet, nimmt er schließlich späte Rache an den Mördern.
Das war’s dann auch schon, was mit gut zwei Stunden in einem eher quälend langweiligen Filmvergnügen resultiert – die ungefähr neun Minuten, die im Vergleich zur Kinofassung bei der unrated Version auf DVD hinzukamen, machen das Ganze auch nicht besser.
Eine simple Rache-Story, bei der eigentlich nie ganz klar wird, was das alles mit dem Hannibal Lecter aus den beiden „Roter Drache“-Verfilmungen und DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER zu tun haben soll, den vor allem Anthony Hopkins so unnachahmlich zum Leben erweckt hatte.
File under „Filme, die die Welt nicht braucht“, auch wenn die DVD natürlich wieder ordentlich mit Extras aufgemotzt wurde.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #74 Oktober/November 2007 und Thomas Kerpen