Sven Regener, Jahrgang 1961, ist seit „Herr Lehmann“ (2001, 2003 verfilmt) Bestsellerautor und war zuvor schon mit seiner Band ELEMENT OF CRIME erfolgreich. Anfang der Achtziger ging er nach Berlin, studierte, spielte bei ZATOPEK. Das Berlin der späten Siebziger und der Achtziger mit seiner kulturellen Sonderstellung in der BRD, mit der Hausbesetzer-, Alternativ- und Punkszene wurde schon vielfach beschrieben, verklärt, gewürdigt, und es gibt eben ein Klientel für mal mehr, mal weniger gelungene literarische bzw. filmische Darstellungen der eigenen Jugend – man hat fast schon Angst, dass in 20 Jahren mal jemand ein „Babylon Berlin“ über die Jahre 1968 bis 1982 dreht ... Regeners Bücher wären dann sicher heiße Kandidaten für eine Drehbuch-Grundlage. Sein 2017 erschienener Roman „Wiener Straße“ ist von Story, Set und Personen her das untrennbar verbundene „Prequel“ zu „Glitterschnitter“, wo – wie bei Regeners anderen Romane auch – Autobiografisches, Miterlebtes und Ausgedachtes zu einer in diesem Fall enorm zähen Story verknüpft werden. Selten hat es mich mehr Mühe gekostet, ein Buch zu Ende zu lesen – diese kleinteilige Nicht-Handlung quasi nur aus Dialogen, die im Schneckentempo vorankriecht, lähmt beim Lesen das Hirn. Dabei ist Regeners Vorgehen durchaus smart, das süße Gift der Nostalgie trieft aus seinen für Dabeigewesene kleinteiligen Beschreibungen des Kreuzbergs 36 und 61 jener Jahre, aber das hat was von Modelleisenbahnhobby. Die Story? 1:1 die Fortsetzung von „Wiener Straße“: Künstler, Musiker, Punks, Hausbesetzer, Lebenskünstler mit „lustigen“ Namen wurschteln sich durch mit dem Ziel eines Konzerts. Was auch nervt: diese Dialektverschriftlichung des Berliner bzw. Wiener Idioms.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #159 Dezember 2021 /Januar 2022 2021 und Joachim Hiller