Hinter dem etwas seltsam klingenden deutschen Titel verbirgt sich der Film ¿QUIEN PUEDE MATAR A UN NIÑO? des Spaniers Narciso Ibáñez Serrador (von dem auch DAS VERSTECK mit Lili Palmer stammt), auch bekannt als WHO CAN KILL A CHILD? und bei uns auf Video unter dem Titel TÖDLICHE BEFEHLE AUS DEM ALL lange Zeit als schwer jugendgefährdend eingestuft.
Die Indizierung lief nun letztes Jahr ab und wurde sinnigerweise auch nicht verlängert. In Frankreich, Spanien und den USA erschien er schon vor einiger Zeit auf DVD, was natürlich für irgendwelche Bootlegger ein gefundenes Fressen war, die erst kürzlich noch eine Disc unter dem alten deutschen Titel in Umlauf brachten.
Mitte Februar gibt es dann den Real Deal von Bildstörung mit deutscher, englischer und spanischer Tonspur, Interviews mit Serrador und Kameramann Alcaine und sogar separater Audio-CD mit dem Soundtrack.
Hoffentlich werden noch genügend Leute diese DVD zu würdigen wissen, denn verdient hätte es Serradors Film auf jeden Fall. Ein ungewöhnlicher Vertreter des Horrorbereichs, der basierend auf dem Buch „El juego de los niños“ von Juan José Plans mit Einflüssen von DIE VÖGEL, DAS DORF DER VERDAMMTEN und DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN ein verstörendes, äußerst realistisches Schreckensszenario entwirft.
Darin besucht ein gewisser Tom mit seiner hochschwangeren Frau Evelyn ein kleines Fischerdorf auf einer abgelegenen spanischen Insel, das seltsamerweise – bis auf immer wieder auftauchende Kinder – völlig verlassen zu sein scheint.
Quasi eine Geisterstadt, durch die die Beiden wandern und langsam aber sicher hinter die Ursache für das Verschwinden der Erwachsenen kommen („There is something wrong on this island and you’re trying to keep it from me.
If there is something wrong, then whatever it is, I think we should leave.“). WHO CAN KILL A CHILD? verzichtet dabei auf besonders spektakuläre Splattereffekte, sieht man mal von etwas Blut ab, und ist ein eher stiller, naturalistisch gefilmter Vertreter europäischen Genrekinos, der sein Grauen und die latente Bedrohung durch eine sich langsam steigernde Spannungskurve und den Kontrast zum friedlich idyllischen Fischerdorf aufbaut.
Eigentlich unverständlich, dass der Film überhaupt so lange indiziert war, denn Serradors Ansatz dabei ist eher „thought provoking“ als explizit exploitativ. Ein behutsamer, sozio-philosophischer Schocker, bei dem das damalige Gremium der Bundesprüfstelle wahrscheinlich gestört hatte, wie hier kindliche Unschuld vermeintlich primitivem, oberflächlichen Unterhaltungskino geopfert wurde.
Ob WHO CAN KILL A CHILD? ein verkanntes Meisterwerk ist oder nicht, sei mal dahingestellt, ein Actionfilm ist er ganz sicher nicht und wird einer heutigen Generation von Kinogängern eher langweilig vorkommen, denn man muss sich schon auf seine gemächliche Erzählweise einstellen können.
Dafür wird man mit einem wirklich äußerst pessimistischen Schluss belohnt, durch den Serradors Film vor allem seine Parallelen zu DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN oder auch Cronenbergs PARASITEN-MÖRDER offenbart und der auch noch lange nachwirkt.
Genrekino für Fortgeschrittene.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Thomas Kerpen