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EIN JAHR OHNE CTHULHU

Thierry Smolderen, Alexandre Clérisse

1981 erscheint „Call of Cthulhu“, ein auf dem von H.P. Lovecraft geschaffenen Cthulhu-Mythos basierendes Pen-&-Paper-Rollenspiel, erstmals in den USA. Veröffentlichungen unter anderem in französischer und deutscher Sprache folgen Mitte der Achtziger. Auch langfristig kann sich das Spiel behaupten und wird in zahlreiche Settings von der Zukunft über die Gegenwart bis in die Vergangenheit und diverse fiktive Welten versetzt, und 2018 schließlich auch als Computerspiel in Steampunk-Optik realisiert. Bis auf die Optik greifen Smolderen (Szenario) und Clérisse (Zeichnungen) diese schrittweise Entwicklung auf, indem sie hier „Call of Cthulhu“ spielende (und selbst abwandelnde) Jugendliche und Arcade-Games der Achtziger miteinander vermischen. Darüber hinaus greifen sie unter anderem mit der Thematisierung von psychischen Erkrankungen und der Gefahren künstlicher Intelligenz aktuelle Probleme auf, beschränken sich also nicht auf zeitgeschichtliche Inhalte und legen den Schluss der Handlung in die Gegenwart. Von der Grundstimmung her erinnert mich das ein wenig an Rob Reiners Stephen King-Verfilmung „Stand By Me“. Clérisses Zeichnungen nach den Fünfzigern („Das Imperium des Atoms“) und Sechzigern („Ein diabolischer Sommer“) jetzt in die Achtziger und damit ab und an auch mal in Neon getaucht oder in Pixel versetzt zu sehen, ist zunächst ein wenig befremdlich, hat man sich aber daran gewöhnt, kann man gar nicht genug davon bekommen. Auch die visuelle Übersetzung der Lovecraft-Welten in Clérisses verspielt bunten Zeichenstil kann man sich erst vorstellen, wenn man sie vor Augen hat. Ein bittersüßes Coming-of-Age-Bonbon, das man immer wieder lutschen möchte.